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Träumt von 72 Jungfrauen im Paradies: Messias Aydin Işik
Foto: Rebecca Ramlow

Im Land, wo Milch und Honig fließen

08. Februar 2017

Aydin Işiks satirische Odyssee „Bevor der Messias kommt!“ – Bühne 02/17

Aydin Işik läuft auf die Bühne. Ein Tuch auf dem Kopf, ein Bart im Gesicht, lange Haare. Wären Mitglieder von AfD oder Donald Trump unter den Gästen, würden diese sicherlich aus Angst eine Mauer durch den Raum bauen. Hier, im gefüllten Kölner Kulturbunker, tut das aber Gott sei Dank niemand. Stattdessen wird gelacht. Da ist auch schon das Stichwort „Gott“, denn in Işiks Satireshow geht es um Religionen. Genauer gesagt: um das Warten auf den heißersehnten Messias. Den Jüngling von damals, den alle Weltreligionen so dringend sprechen wollten, bis das Internet, Grenzzäune, Kriege und Konsum dazwischen gerieten, die es dem Erlöser schwer machten. „Wir müssen über Religionen reden, solange noch immer Menschen im Namen dieser töten“, sagt Işik.

Das ganze heutige System basiere auf Geld, von Kauf und Verkauf, behauptet der Kölner Kabarettist, der zugibt, selber mal in seiner Vergangenheit Liebestöter verkauft zu haben. Türken seien übrigens die besten Verkäufer, findet der in Istanbul Aufgewachsene. Er  beschreibt, wie er in seiner Kindheit türkische Männer beobachtete, die schreiend BHs an Frauen verkauften und damit auch noch Erfolg hatten. Kapitalismus regiere die Welt, und dennoch gäbe es noch immer Religionen wie den Islam oder das Juden- und Christentum, die nach wie vor, nach über 2000 Jahren, auf den Messias warteten. Wieso?, fragt sich Işik.

Kritisch und ohne ein Blatt vor den Mund zu nehmen seziert er den Glauben der unterschiedlichen Religionen und deren jeweilige Verheißungen. Die katholische Kirche sei das reichste Unternehmen der Welt. Im Islam würden Männern im Paradies 72 Jungfrauen versprochen. Warum eigentlich 72? Auf die Frauen hingegen warteten natürlich nicht 72 Brad Pitts im Paradies, mit denen sie sich vergnügen dürften. Oder das Thema „Erbsünde“: Warum soll Eva die Sünde begangen haben – eine Frau? Sei das nicht sexistisch? Wie gelang es Abraham mit stolzen 86 Jahren, noch ein Kind zu zeugen, ohne dass es damals Viagra gab? Wie können Christen von einem Land, in dem Milch und Honig fließen, träumen? Müssten die Deutschen da nicht sofort das Gesundheitsamt einschalten? Die Liste seiner Kritikpunkte an Religionen ist lang.

Aydin Işik schlüpft dabei in die Rolle des Messias, der noch immer in Nahost feststeckt und der versucht, heutzutage mit Gott zu kommunizieren, was nicht immer leicht ist. Dieser Messias zeigt sich schwer enttäuscht: Was ist eigentlich in den letzten 2000 Jahren passiert?, klagt er seinen Vater und Gott an. Kreuzzüge, Kriege, Modern Talking, die CSU, die AfD, Helene Fischer – da hätte dieser Gott doch längst eingreifen müssen.

Auch an das Thema „Flüchtlinge“ wagt sich Işik heran: Dabei kritisiert er unter anderem auch Menschen, die dieses Thema nur ausnutzten, um das eigene Ego zu stärken. Er habe eine Fernsehsendung mit dem unmöglichen Titel „Menschen auf der Flucht – Deutschland hilft“ mit Johannes B. Kerner gesehen – das sei unter aller Sau gewesen.

Zwischendurch schlüpft Işik in die Rolle eines gewissen Kenan, einem Kleinkriminellen aus Berlin, der das hochgepriesene Gedicht „Der Erlkönig“ von Goethe auseinandernimmt und zu seinem Erschrecken feststellt, dass dieser Erlkönig, der mit seinem Knaben spiele und diesen anfasse, pädophil und gewalttätig sein müsse. Dann wiederum nimmt er die Rolle eines ausländerfeindlichen Kursleiters an, der seinen Schülern erklärt, wie man mit dem Zustrom von Flüchtlingen umgeht, dabei aber heimlich mit einer Türkin verheiratet ist, unter deren Pantoffel er steht. Işik ist politisch nicht korrekt, aber er darf das. Was er dem Publikum um die Ohren pfeffert, ist harte, schwerverdauliche Kost. Neben aller Satire übt er aber auch ernste Kritik: „Alle paar Sekunden stirbt weltweit ein Kind. Hunger hat es immer schon gegeben, aber es gab noch nie gleichzeitig so viel zu essen,“ prangert der Messias das Ungleichgewicht der Welt an und erntet Applaus – der Messias, der schließlich versucht, von Nahost nach Europa zu gelangen, dabei aber versehentlich in Guantanamo landet. Seine mögliche Zukunft: Dschungelkönig zu werden.

Termine:
Mi 1.3. 20 Uhr | Pantheon-Theater, Bonn | 0228 21 25 21
Do 11.5. 20 Uhr | Bürgerhaus Stollwerck | 0221 99 11 08 31
Do 25.5. 20 Uhr | Haus der Springmaus, Bonn | 0228 79 80 81

Rebecca Ramlow

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