Für viele Briten war es der Gipfel der Heuchelei: Während Boris Johnson inmitten der Corona-Pandemie seine Mitbürger beschwor, sich an den von ihm und seiner Regierung beschlossenen Lockdown zu halten und Solidarität mit den Alten und Kranken zu zeigen, galten für den Premierminister und seine Getreuen offenbar andere Regeln. Mindestens ein Dutzend informelle Treffen mit bis zu 40 Gästen haben demnach in Johnsons Amtssitz in Downing Street 10 stattgefunden, darunter eine Weihnachts- und eine Geburtstagsfeier. Jetzt hat sich der Jugendklub Polylux des Schauspiels Bonn des Themas angenommen – und lädt kurzerhand zu einer eigenen Party ein.
An diesem Abend geht es um Reichtum, Eitelkeit und Macht, um Narzissmus, Ignoranz und Bigotterie. Natürlich ist Diskretion Pflicht, sonst funktioniert das Spiel der Elite nicht. Es ist die einzige Regel, die gilt, und selbst diese wird irgendwann gebrochen. Denn Angst vor Konsequenzen hat hier niemand. „Diese Doppelmoral fanden die Jugendlichen ungeheuer spannend“, erzählt die Theaterpädagogin und künstlerische Leiterin des Jugendklubs, Henrike Eis. „Viele von ihnen kommen aus schwierigen Verhältnissen und reagieren auf derartige Geschehnisse besonders empfindlich. Während der vergangenen zwei Jahre haben sie sich wirklich vorbildlich an die Corona-Regeln gehalten, und dann ignorieren führende Politiker genau diese Vorgaben wissentlich. Auf dieser Basis haben wir uns dann mit Solidarität im Allgemeinen beschäftigt.“ Also auch abseits der Pandemie? „Ja. So hat ein Mädchen, die 2015 aus dem Irak nach Deutschland gekommen ist, einen sehr bewegenden Text darüber geschrieben, dass sie ja mit den Menschen in der Ukraine mitfühlt, aber gleichzeitig fragt, warum in Deutschland bei Kriegsflüchtlingen überhaupt differenziert wird. Darauf findet man nicht so einfach eine Antwort.“
Die Jugendlichen bleiben allerdings bewusst an der Oberfläche, stoßen vieles an, tauchen aber nicht allzu tief ein. „Wir wollen keine philosophische Diskussion führen, sondern vielmehr mit kleinen Textfragmenten Positionen aufzeigen, über die es nachzudenken gilt“, so Eis. „Diese Passagen mischen wir mit Choreographien und Musik, denn natürlich wollen die Jugendlichen jetzt, wo es wieder möglich ist, auch selbst mal eine Party feiern.“
Jugendklub Polylux: Partygate | R: Henrike Eis | 26., 27.5., je 20 Uhr | Kulturbunker Mülheim | www.schauspiel.koeln
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