Köln und die Fotografie, das ist eine Beziehung voller Widersprüche. Kaum eine Stadt in Deutschland ist seit der Erfindung dieses Mediums so nachhaltig und so interessant fotografiert worden, wie die Domstadt. Mit L. Fritz Gruber und seinen Bilderschauen zur Photokina wurde das Bewusstsein dafür gelegt, dass Fotografie eigene Präsentationsformen benötigt. Bis heute spielt die Fotokunst eine wichtige Rolle in Kölns Galerien-Landschaft. Das Interesse der Menschen ist sofort geweckt, wenn sich eine attraktive Ausstellung ankündigt. Ins Bewusstsein der städtischen Kulturpolitik ist die Tatsache, dass diesem Medium weltweit eine enorme Aufmerksamkeit zukommt, allerdings nicht vorgedrungen. Nur vereinzelt und dann zumeist in kleinen Formaten, zeigen die Museen Fotografie, und die Internationale Photoszene, ein seit Jahrzehnten existierendes Festival, wird eher widerwillig gefördert.
Während sich in Berlin, Hamburg und Essen die Erkenntnis durchgesetzt hat, dass man im digitalen Zeitalter einer Stadt mit Ausstellungsorten für die Fotografie Attraktivität verleihen kann, ignoriert man diese Entwicklung am Rhein demonstrativ. Pardon, am Rhein wäre falsch, denn Düsseldorf hat die Zeichen der Zeit verstanden, dort lockt man die Besucher mit großen Events in den Ehrenhof. Wenn einem Deutschen Publikum ein Großmeister wie Gary Winogrand nicht bekannt ist, hängt man einfach Peter Lindbergh dazu, und schon sind die Räume erstklassig besucht. In Köln konnte man Winogrands grandiose Serie „Women are beautyfull“ freilich schon vor 15 Jahren in der Galerie Thomas Zander sehen.
Wenn die Repräsentanten der städtischen Institutionen in Köln auch nur gemächlich reagieren, die Bürger zeigen sich wieder einmal mit ihrem Engagement hellwach. So verleiht zum Beispiel die Deutsche Gesellschaft für Photographie ihre wichtigste Auszeichnung, den Dr.-Erich-Salomon-Preis, in diesem Herbst an den Litauer Antanas Sutkus. 2003 zeigte das Forum für Fotografie zur Eröffnung eine wundervolle Schau seiner klassischen Arbeiten. Der Kölner Arzt Norbert Moos, der das Forum im Süden der Stadt erbaute, drückt sich zurückhaltend aber unmissverständlich aus, wenn er sagt: „In Köln wird nichts Erkennbares getan, um die Stadt als Standort der Fotografie lebendig zu erhalten.“
Vom ersten Tag an war das Forum der nationalen Wahrnehmung von Fotografie ein gehöriges Stück voraus. Am Rheinufer in Bayenthal und nicht in Berlin wurde 2004 mit der Ausstellung „Utopie und Wirklichkeit“ erstmals ein Panorama der Ostdeutschen Fotografie von der Nachkriegszeit bis ins Jahr 1989 präsentiert. Norbert Moos ist nicht entgangen, wie anhaltend sich „die Moderne der Fotografie außerhalb Europas und Amerikas verweigert hat“. Deshalb gab es im Forum auch immer wieder Ausstellungen, die sich mit dem Leben in Afrika oder Asien beschäftigten. Bevor Fotografen wie Michael Wolf, Antoine d‘Agata, Christer Strömholm oder Peter Bialobrzeski in München, Hamburg oder Berlin als Stars registriert wurden, waren sie mit ihren Arbeiten im Forum zu Gast.
Michael Wolf, Tokio Compression (39), 2010 © Michael Wolf
„Im Grunde besteht die Aufgabe des Forums aber nicht darin, große Namen zu zeigen“, sagt Norbert Moos. Er kann halt auch nichts dafür, dass eine Clare Strand, nachdem sie bei ihm in Köln ausgestellt wurde, mit ihren Arbeiten in die Sammlung des Museum of Modern Art in New York aufgenommen wurde, könnte man scherzhaft anmerken. Immerhin lässt sich daran das gute Näschen erkennen, mit dem von ihm und Thomas Appel kuratiert wird. Fotografinnen hatten hier im Übrigen immer schon einen Ort, an dem ihre Talente geschätzt wurden. Die Engländerin EJ Major erkundete mit ihren feministischen Sujets fulminant die Schnittstellen zwischen Fotografie und Film, indem sie selbst als Protagonistin in die historischen Dokumente der Suffragetten schlüpfte. Im Forum zeigte sie dann auch ihre Großinstallation zu Bernardo Bertoluccis „Der letzte Tango von Paris“. Norbert Moos betont, dass sein Verständnis von Fotografie über das Einzelbild hinaus weist und an der Herausforderung der seriellen Fotografie geschärft werden will. Der Franzose Antoine d‘Agata schuf im Forum eine 25 Meter lange Arbeit aus unzähligen Einzelbildern, in denen Tod und Sexualität miteinander verschmolzen. Ein Werk, das im Anschluss an die Ausstellung in Köln vom Centre Pompidou erworben wurde. Installationen gehören denn auch zu den spannendsten Aktionen, die die Künstler in der lang gezogenen Halle und dem quadratischen Auditorium des Forums über die Jahre zeigten.
„Die Wahrnehmung von Bildern verläuft nicht mehr über Ausstellungen, sondern der Mainstream bleibt bei Facebook hängen“, meint Moos. Niemand besäße jedoch die Geduld ein Werk von Bill Viola auf einem iPhone anzuschauen. „Deshalb braucht die Fotografie die Ausstellung, weil sie mit ihr eine Aufmerksamkeit erhält, wie sie sonst nur der Malerei zuteil wird. Das Sehvermögen und Erkennen von Bildstrukturen bedarf der kulturellen Schulung sowohl in der Malerei als auch in der Fotografie“, erklärt er. Folgerichtig nimmt sich das Forum dem Buch als Erkenntnismedium an. Regelmäßig werden Fotobuchverlage zu Präsentationen eingeladen, auf denen sie die Arbeiten der Künstler ihres Programms vorstellen. Im Januar besteht traditionell die Möglichkeit, das Füllhorn jener Bücher in Augenschein zu nehmen, die sich um den Deutschen Fotobuchpreis bewerben. An langen Tischen nehmen dann die Besucher Platz und können selbst entscheiden, was für sie ein gutes Fotobuch ausmacht und welche Bücher verlegerische Wunderwerke für sie darstellen.
Zuvor zeigt das Forum jedoch noch die Ausstellung „In den Raum“ (Vernissage 28. Oktober, 16 Uhr) mit Fotografien von Lioba Wagner, deren Arbeiten Norbert Moos bei einem Besuch der Akademie in Düsseldorf entdeckte. Wer der Zeit voraus sein will, muss eben stets ein waches Auge für die jungen Künstler besitzen.
Forum für Fotografie | Schönhauser Str. 8 | 0221 340 18 30
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