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Maryam Salehi demonstriert gegen den Schleierzwang im Iran und gegen die gewaltsame Untedrückung iranischer Aktivistinnen
Foto: Mareike Thuilot

Ein beschwerlicher Weg

12. März 2018

Open House zum Internationalen Frauentag im Rathaus – Spezial 03/18

Seit einer halben Stunde steht die Iranerin Maryam Salehi auf dem Stuhl, in der Hand einen Stock, an dem ein rotes Tuch befestigt ist. Mit dieser Aktion des Iranisch-deutschen Frauenvereins solidarisiert sie sich mit den Frauen im Iran, die so auf den Straßen Teherans gegen den Schleierzwang demonstrieren und die ganze Härte des iranischen Staates zu spüren bekommen. Seit über 30 Jahre lebt sie in Deutschland, ist aber überzeugt: „Wir Frauen müssen zusammenhalten.“

Unter dem Motto „100 Jahre Frauenwahlrecht – Machen wir mehr daraus!“ steht der 9. März im Kölner Rathaus. Es geht um Frauen, die sich für Frauen einsetzen. Es geht um Schutz vor männlicher Gewalt, Chancengleichheit auf dem Arbeitsmarkt, Wohnraum für Frauen, und auch darum, das bisher Erreichte zu feiern – 50 Vereine und Institutionen präsentieren sich bei der „Open House“-Veranstaltung an Informationsständen und laden gemeinsam mit der Stadt Köln zu Gesprächen und Austausch. Darunter sind etablierte Parteien und Institutionen wie Die Linke, Bündnis 90/Die Grünen oder die Agentur für Arbeit und kleinere wie „Lila in Köln“ oder die Freimaurerinnen von der „Frauenloge SCI VIAM“. Außerdem gibt es Workshops und die Ausstellung „Mit Macht zur Wahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa“ im Spanischen Bau.

Vor allem Frauen sind gekommen und nur sehr wenige Männer. Das war so weit zu erwarten, auffällig ist jedoch: Es sind wenig junge Frauen. Woran liegt das? Spricht die Frauenbewegung jüngere Generationen nicht mehr an? Oder liegt es am Veranstaltungsformat? In einer Workshop-Diskussion erzählt eine Besucherin, die mit Jugendlichen arbeitet, junge Frauen interessierten sich immer weniger für feministische Themen – häufig hören sie den Satz „Ich kann doch alles machen“.

Arbeitswelt: „Frauen verkaufen sich unter Wert“

Auch wenn sich viel getan hat in den letzten Jahrzehnten und die Gleichstellung von Frau und Mann im Absatz zwei des Grundgesetzes mittlerweile verankert ist – eine tatsächliche Gleichheit gibt es auf vielen Ebenen noch nicht. So ist es Fakt, dass Frauen nach wie vor durchschnittlich 21 Prozent weniger verdienen als Männer. Das hat verschiedene Ursachen: Es liegt am hohen Teilzeitanteil, an „frauentypischen“, schlecht zahlenden Branchen und auch an tatsächlichen Lohnunterschieden bei gleicher Arbeit. Melanie Garbrecht, als Besucherin im Rathaus, glaubt: „Frauen verkaufen sich oft unter Wert.“ Im Coaching möchte sie vor allem Berufseinsteigerinnen mehr Selbstvertrauen für Gehaltsverhandlungen antrainieren.

Wie sich der Arbeitsmarkt verändert, weiß Eva Pohl. 20 Jahre war sie „Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt“ bei der Bundesagentur für Arbeit und ist heute als Vorsitzende der DGB Frauen im Rathaus. „Insgesamt sind immer mehr Frauen berufstätig – davon aber auch immer mehr in Teilzeit. Die Stundenzahl der geleisteten Arbeit nimmt also insgesamt kaum zu“, erzählt sie. Arbeitgeber seien nur teilweise offen für einen Wiedereinstieg in Teilzeit – und zwar immer dann, wenn der Bedarf am größten sei. Unflexible Arbeitszeiten, die sich durch Kinderbetreuung ergeben, seien nach wie vor ungern gesehen. Auch die Teilzeitberufsausbildung sei nicht hoch angesehen. Die Akzeptanz alternativer Arbeitsmodelle jenseits der klassischen Vollzeitstelle sei, so Pohl, „in Städten wie Köln jedoch insgesamt viel größer als in ländlichen Gebieten, die eher in traditionellen Mustern verhaftet sind“.

„Geschlecht – Macht – Staat“

Im gut besuchten Workshop „Geschlecht – Macht – Staat?“ bespricht Dr. Gudula Ludwig von der Universität Wien die Frage, ob und inwieweit der Staat auch heute noch dazu beiträgt, die Ungleichheit der Geschlechterverhältnisse aufrechtzuerhalten. Dazu beleuchtet sie auch die Geschichte der Rollenzuschreibung von Mann und Frau. Sie kommt zu dem Ergebnis, dass Ungleichheit heute subtiler und weniger offensichtlich stattfinde, eher durch informelle Strukturen und sogenannte „Männerbünde“ jenseits von Paragraphen und Satzungen. Ganz wichtig sei es, so Ludwig in ihrem Schlussplädoyer, feministische Politik für alle Frauen zu machen. Diese könne – auch mit Blick auf die Aufgabenumverteilung auf „billige“ Migrantinnen – nur „solidarisch und intersektional sein“. Frauen müssten sich zudem dagegen wehren, dass der Schutz der Frauen von den neuen Rechten für rassistische und patriarchale Argumente missbraucht und so die Errungenschaften der Frauenbewegung zunichte gemacht würden. Ihre Statements erhalten viel Zustimmung.

Ausstellung zu Frauenwahlrecht in Europa

Der Internationale Frauentag entstand im Kampf um Gleichberechtigung, Mitbestimmung und Wahlrecht. Millionen Frauen gingen Anfang des 20. Jahrhunderts in Europa und in den USA dafür auf die Straßen. Am 8. März 1917 streikten die Textilarbeiterinnen in Sankt Petersburg – der Internationale Frauentag wird seitdem an diesem Datum gefeiert.

Die Geschichte dieses Kampfes um Wahlrecht in den europäischen Ländern – und damit auch die Geschichten vieler einzelner, mutiger Frauen erzählt die Ausstellung „Mit Macht zur Wahl! 100 Jahre Frauenwahlrecht in Europa“ im Lichthof des Spanischen Baus. Informationstafeln zeigen, dass der Kampf um Mitbestimmung in Europa ganz unterschiedlich verlaufen ist. Was auffällt: Je früher Männer das Recht zur Wahl hatten, desto länger mussten Frauen für ihr Wahlrecht kämpfen. So erfährt der Besucher beispielweise, dass Liechtenstein als letztes europäisches Land das Wahlrecht für Frauen erst 1984 einführte. Die skandinavischen Länder waren hingegen wie in so vielen sozialen Fragen Vorreiter. „Wir brauchen Utopien. Wie wir diese dann durchsetzen ist erst die zweite Frage“, so die Historikerin Irene Franken bei der Eröffnung.

Die Texte der Informationstafeln sind auf Deutsch und Englisch und werden ergänzt durch teils großformatige historische Aufnahmen. 20 Tage gastiert die Ausstellung des Frauenmuseums Bonn und des Kölner Frauengeschichtsvereines, drei Tafeln zur Kölner Geschichte wurden dazu ergänzt.

Gerda Laufenbergs Antwort auf Gerhard Richter

Ebenfalls im Lichthaus des Spanischen Baus hängt zurzeit das Gemälde „48 Kölner Köpfe“. Die Künstlerin Gerda Laufenberg versteht es als ihre Antwort auf Gerhard Richters Werk „48 Portraits“. Vor Jahren habe sie dieses im Museum Ludwig gesehen, erst nach längerer Betrachtung sei ihr aufgefallen: „Das sind alles Männer, wo ist die obligatorische Marie Curie?“ Anschließend sei in ihr der Entschluss gereift, ebenfalls 48 Köpfe zu portraitieren, jedoch ausschließlich Frauen. So zeigt das riesige Gemälde 48 Frauen aus dem Kölner Raum und aus 2000 Jahren Zeitgeschichte  –  Henriette Reker hängt neben Hella von Sinnen, Gaby Köster über Anne Will und auch historische Figuren wie Agrippina und die Heilige Ursula sind zu sehen. Die Reihenfolge und die Auswahl der Frauen entspreche keiner Wertigkeit, so Laufenberg, ähnlich wie Richter habe sie die Auswahl nach ästhetischen Kriterien getroffen. Im Gegensatz zu Richters unaufgeregten schwarz-weiß Portraits stellt sie die Frauen kreischend bunt im Pop-Art-Stil dar: „So bunt wie wir Frauen sind.“

Beide Ausstellungen sind noch bis zum 28. März im Spanischen Bau des Rathauses zu sehen.

Mareike Thuilot

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