Vor einem Jahr wurden am Comedia Theater fünf neue, eigenständige Theaterkollektive gegründet, darunter die „Utopist*innen“ mit Mitgliedern zwischen 18 und 23 Jahren. Nun bildeten die Arbeiten der alten und neuen Gruppen den Kern des Bohei-Festivals (11.-23.9.), mit dem auch der Aufstieg des Theaters zum „Zentrum der Kultur für junges Publikum Köln und NRW“ – mit entsprechender Förderung von Stadt und Land – unterstrichen wird. Junge Menschen geben nun den Ton an und genießen Priorität.
Mit „Isolation“ reagieren die Utopist*innen, die jetzt 19 bis 22 sind, auf das, was den jungen Menschen, sicher auch unterhalb dieser Altersgruppe, in den letzten Monaten widerfahren ist. Da ist man Teenager oder gerade erst erwachsen und plötzlich kommt eine Pandemie und erzwingt Stillstand. Da ist man zuhause, abgeschnitten von Freunden, eingeschränkt in der Bewegungsfreiheit, weitgehend auf sich allein gestellt, und niemand weiß genau, was wird. Die Schulen und Unis wurden ab Mitte März nach und nach geschlossen – eine echte Rückkehr zur Normalität, eine sichere Perspektive gibt es bis heute nicht. Anstatt „neue Realitäten“ im Theater zu erschaffen, wie es die Gruppe sich vorgenommen hatte, schildern die Utopist*innen, was ist.
Leben im Lockdown
Dem Zeitverlauf folgend gehen die durch Abstände separierten Jugendlichen durch Pandemie-induzierte Phasen von psychologischem Stress und finden, so wie es die Logik der Isolation gebietet, individuelle Wege heraus aus der Lethargie. Auch das Bühnenbild aus Reflexbändern führt die Gruppe vom Bühneneingang aus strahlenförmig auseinander zu aufgeklebten vier Wänden. Dem Spektrum des Wahrnehmens und Erlebens wertungsfrei und anschaulich eine Form zu geben und Einblicke in 19 unterschiedlich denkende Persönlichkeiten – nach offizieller Zählung sogar 21 – zu geben, ist der Verdienst dieses experimentellen Abends unter Regie von Co-Gruppenleiter Manuel Moser.
Da sind diejenigen, die in dem Virus Chancen für eine bessere Gesellschaft sehen, da sind diejenigen, die von Angst fast gelähmt scheinen oder sich machtlos fühlen. Da sind diejenigen, die in den sozialen Medien neu aufblühen, da sind diejenigen, die wütend sind oder depressiv werden, und andere, denen es gelingt, sich mit dem Alleinsein zu arrangieren, die meditieren, singen und tanzen, auch für andere. Da sind auch die Engagierten, die Vorgänge wie die Verbreitung von Verschwörungstheorien kritisch begleiten oder gegen aktuelle Fehlentwicklungen in der Welt protestieren wollen, aber denen in einer wichtigen Zeit ein Stück weit die Hände gebunden sind.
Ein Reich der Freiheit
Im Heute kommt das Stück nicht an, es bleibt in der Lockdownzeit verwurzelt und träumt darin per Marx von einer Welt ohne Arbeit. „Das Reich der Freiheit beginnt da, wo das Arbeiten aufhört.“ Manchmal hat man dann das Gefühl, dass die jungen Erwachsenen das Gefühl haben, auf der Bühne mehr sein müssen als eben junge Erwachsene. Zum Glück überwiegt aber das aus dem Leben Gegriffene.
Mit einer freigelassenen Sitzreihe wurde im Grünen Saal ein zusätzlicher Abstand zwischen Darstellern und Publikum hergestellt, das von Comedia-Personal angewiesene Publikum, das Registrierungszettel abgeben musste, saß jedoch ohne Abstand und zum Großteil ohne Masken, so wie es die Regeln in NRW erlauben. Es war gut, die Jugendlichen zu sehen und ihre Gedanken zu hören, natürlich in der schützenden Form einer solchen Rollenverteilung und nicht unähnlich den Gedanken Erwachsener, die sich hier in vieler Hinsicht wiederfinden, sich aber nicht mehr in einer so prägenden und wichtigen Lebensphase befinden. Schade ist nun, dass so ein aktuelles und vielleicht dringendes Stück, das zudem die eine oder andere Möglichkeit zur Weiterentwicklung bietet, nach den zwei gut besuchten Bohei-Terminen schon auf Eis liegt.
Isolation – eine dystopisch negative Betrachtung des Jetzt | R: Manuel Moser | (noch) keine weiteren Termine | Comedia Theater
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