Sie geben sich zurückhaltend und platzen doch vor Neugier. Zunächst sind nur ein paar Töne hörbar, dann mogeln sich Hände hervor. Und wenn dann die vier Köpfe um das aufrecht stehende Bett lugen, ist kein Halten mehr. Die Alter Egos der Lady Milford sind eine gnomische Viererbande aus ethnischem Image, jungem Image, altem Image und geistigem Image, die sich in eitler Selbstverliebtheit dem Publikum präsentieren und dabei ihrer Herrin immer wieder ins reflektierende Handwerk pfuschen.
Der kasachische Regisseur Bolat Atabayev, Mitbegründer und früherer Künstlerischer Leiter des Deutschen Theaters in Almaty, lebt sein Dezember 2012 in Köln. Er hatte einen Streik von Arbeitern einer Ölförderanlage im kasachischen Schanaosen unterstützt, war deshalb verhaftet worden und konnte erst nach internationalem Protest ausreisen. Heute unterrichtet er an der Theaterakademie in Köln junge Studenten, mit denen er nun sein Stück „Lady Milford aus Almaty“ als Studienabschluss herausbrachte.
Jule Marie Schacht im hellgelben Trainingsanzug steht als schlafende Lady Milford in der schwarz abgehängten Orangerie vor dem Bett. Sie nickt ein, schreckt wieder hoch, im Dialekt wird Alltag durchgekaut, und dann schummeln sich die Alter Egos ins Spiel: „Es ist mal wieder Zeit für eine Krisensitzung!“ Damit gerät der Abend aber aufs Gleis totaler Ambivalenz. Da witzeln die Vier ironisch über ihre Abschlussprüfung als Schauspieler, dann singen sie inbrünstig deutsche Volkslieder. Ergreifend wird von einer Jugend als Deutsch-Kasache in der Sowjetunion erzählt oder von der Schizophrenie, in Kasachstan als Deutscher, in Deutschland als Kasache zu gelten. Schillers Lady Milford aus seinem Stück „Kabale und Liebe“ dient als Vorbild. Dann wieder werden lächelnd Thesen rausgehauen wie „Theater funktioniert auf der Basis der Freiheit von Angst“. Atabayev versucht, sein Stück mit der Lebenswelt der Studenten kurzzuschließen. Der Clash von pathetischer Beschwörung deutscher Kultur, einem hohen künstlerischem Ethos und totaler Ironie führt allerdings zu einem willkürlichen Kaleidoskop der Haltungen ohne innere Berührungspunkte. So fällt am Ende konsequenterweise ein Schuss: „Lebt wohl, ihr wart mit meine Masken“.
„Gegen das Schweigen, ein Abend mit Bolat Atabayev“ | Akademie der Künste der Welt, Köln | 1.10. 19.30 Uhr | www.academycologne.org
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