Am Mittwoch hat, mitten im „Lockdown light“, eine neue Galerie in Köln eröffnet. Doch im Gegensatz zu den meisten anderen kulturellen Stätten, die momentan in den Dornröschenschlaf befördert wurden, kann diese Galerie rund um die Uhr betreten werden. Zu finden ist sie nämlich online. Der „Kulturgenerator“, ein Projekt von Kulturrat, dem Verein Niehler Freiheit und dem Kunstzentrum Wachsfabrik, wurde angeworfen, um die Kunst- und Kulturszene Kölns in der schwierigen Zeit mit neuer Energie zu versorgen. Gleichberechtigt und ohne hierarchische Ordnung können die Besucher der Website 30 eingestellte Kunstwerke bestaunen und erwerben.
Doch das ist noch nicht alles. Die Online-Galerie ist zugleich ein solidarisches, spieltheoretisches Experiment: Künstler legen einen Preis fest, der aktuell zwischen 65 und 5000 Euro liegt. Im Folgenden kann jeder Verkäufer noch entscheiden, ob er den Gewinn nur für sich braucht, oder ob 50 oder gar 100 Prozent des Erlöses in einen gemeinsamen Pott fließen soll. Diese Ausschüttung, die für den 1. Februar 2021 geplant ist, wird unter allen Künstlern aufgeteilt – so profitieren auch diejenigen, deren Werke nicht verkauft wurden. Die Kunden werden über die Verteilung des Preises aufgeklärt. Und tatsächlich macht der Kauf (und hoffentlich Verkauf) noch mehr Freude, wenn man weiß, dass alle Beteiligten etwas davon haben.
Lange Planung für die Förderung der Kölner Kultur
„Wir haben erstmal nur die Hälfte der Einsendungen hochgeladen, damit es nicht zu viel auf einmal wird“, berichtet Claire Payrebrune, die den Kulturgenerator kuratiert. Die aktuell zu erblickenden Kunstwerke; das umfasst alles von Gemälden über Skizzen, Fotographien, Drucken bis hin zu Skulpturen, stammen von Kölner Künstlern. „Das war auch Sinn und Zweck der Sache, dass es Kölner sind“, so Payrebrune, „es soll ja besonders zur Förderung der Kölner Kultur sein. Wir rechnen aber damit, dass sich jetzt noch viele bewerben – wenn da jemand aus dem Umland dabei ist, geht das natürlich auch.“ Die Künstlerin, von der in der Galerie leuchtend rote, rückgratähnliche Skulpturen zu erwerben sind, erzählt, dass die Erstellung der Seite sich aufwändiger gestaltete als gedacht.
Auch Christian Bügel vom Kulturrat bestätigt den langen Weg, den das Projekt bereits gegangen ist. Eigentlich hatte man gemeinsam im Frühjahr ein „Future Lab“ geplant, in dem Künstler zusammenkommen sollten, um über Zukunftsthemen zu sprechen. Mitte März wurde dann klar, dass die Zukunft erst einmal andere Unterstützung braucht. Über 140.000 Euro wurden seitdem bereits über die „Kölner Kulturhilfe“ generiert. Ebenfalls in dieser Zeit, also schon im ersten Lockdown, begannen die Planungen für den Kulturgenerator. „Im Wesentlichen wurde das ehrenamtlich gemacht“, erzählt Bügel. „Wir wollten etwas Eigenes programmieren, und so hat es etwas länger gedauert, bis wir alle Funktionen hatten. Wir haben es immer wieder verfeinert.“ Auch die Frage der Versteuerung war keine so leicht zu beantwortende – unter anderem war eine verpflichtende solidarische Abgabe in den geteilten Topf nicht möglich.
Mal ein anderes Weihnachtsgeschenk
Beim Scrollen über die Seite sieht man, dass hier nicht mit einem Bausteinsystem „von der Stange“ gearbeitet wurde, wie Bügel bestätigt. Eine Schrift aus geometrischen Elementen, über deren Zusammensetzung man tatsächlich ein paar Momente lang grübeln kann, betitelt die Kunstwerke. Jedes Mal, wenn man den Kulturgenerator öffnet, werden die Bilder sozusagen in einer neuen Hängung präsentiert – demokratisch und chancengleich. In einer Laufschrift wird der aktuelle Stand des gemeinsamen Potts sichtbar: kurz nach Start wurden bereits zwei Kunstwerke verkauft. 416 Euro, das ist noch steigerungswürdig.
„In der Vorweihnachtszeit, die wir jetzt haben, hoffen wir auf eine gute Resonanz“, hebt Christian Bügel hervor. „Man kann hier stöbern, anderen mit einem ungewöhnlichen Weihnachtsgeschenk eine Freude machen, oder auch sich selbst. Interessant ist dabei ja auch die Möglichkeit, mit dem Künstler in Kontakt zu kommen. Unsere Idee ist es, kunstaffine Kölner dazu zu begeistern, dieses Projekt und die Verkäufer zu supporten.“
Letztere waren im Vorfeld häufig zurückhaltend, nannten verhältnismäßig zu niedrige Preise. „Viele dachten sich: ‚Hauptsache verkaufen‘“, erklärt Bügel. „Da mussten wir dann nochmal nachjustieren.“ Den Organisatoren selbst gehe es hingegen nicht darum, Profit zu erzielen. Auch nach der Ausschüttung im Februar solle, wenn es gut laufe, nicht Schluss sein. „Wir wollen das nicht begrenzen. Es wäre ja gut, wenn das Projekt auch unabhängig von der Krise eigenständig weiterläuft.“
Geplant ist zusätzlich ein Angebot kultureller Erlebnisse: Hier hatte das Team Wohnzimmerkonzerte des Gürzenich Orchesters oder besondere Museumsführungen im Sinn. Jetzt geht es darum, auch lockdown- und krisentaugliche Ideen zu finden. Und: „Es ist wichtig, dass Kölner helfen – und kaufen, kaufen, kaufen.“
Kulturgenerator | kulturgenerator.org
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