Der Sommer kennt viele Lieder. Zu viele! Auf jedem Meter dröhnen sie einem entgegen, jegliche akustische Privatsphäre verätzend. Aus quakenden Mobiltelefonen und scheppernden Ghettoblastern. Auf der Straße, in der Bahn, im Bus, auf einstmals idyllischen Plätzen und in ehedem lauschigen Parks. Parallel zur hemmungslosen modischen Entblößung schenkt uns die warme Jahreszeit einen aus sozialer Umnachtung plärrenden Soundtrack, der in seiner maßlos gönnerhaften Freizügigkeit jedweder Behaglichkeit den Garaus bereitet. Wie wär‘s mal mit was Literatur, Kinders?! Die hat ihren ganz eigenen Sound, der sich noch dazu allein zwischen den Ohren entfaltet:
Cheryl Della Pietra, „Gonzo Girl“ [Heyne]: In einer berauschenden Mischung aus Shoegaze und Glamrock lässt die einstige Assistentin von Hunter S. Thompson den genialischen Journalisten und Schriftsteller aufleben. In all seinen grenzdebilen Facetten zwischen Größenwahn und kindlicher Verletzbarkeit, infernalischen Rauschzuständen und Schreibmarter. Hardcore mit zärtlicher Hingabe, bei dem es schlussendlich ums pure Überleben geht.
Wolfgang Popp, „Wüste Welt“ [Atelier]: An einem Stock hängt eine CD. Bonnie ‚Prince‘ Billy & The Cairo Gang. Singer/Songwriter meets World Music.Und genauso klingt dieses Roadmovie von einem, der in die Wüste zog, um seinen Über-Bruder zu finden und sich dabei selbst zu befreien. Am Anfang will man ihn noch durchschütteln. Hör auf, rumzumemmen! Doch schon bald ergreift einen die mystische Leere der Landschaft, der schleppende Rhythmus dieses Reisetrips, bis man in bewusstlose Bewusstheit fällt.
Gerald Kersh, „Die Toten schauen zu“ [pulp master]: Ein Requiem wie ein apokalyptisches Unwetter. 1943, in ihrer Besessenheit geradezu lächerliche Nazi-Schergen brechen über ein verschlafenes Provinznest in der ‚Tschechei‘ herein, um Vergeltung für einen ‚barbarischen Akt des Terrors‘ zu üben. Martialisch wird jeder Funken unschuldiger Hoffnung bei den Dorfbewohnern plattgetreten. Schicksal für Schicksal. Mit dem Ziel jeden Widerstand auszumerzen. So sieht Schrecken aus.
Clemens Meyer & Claudius Nießen, „Zwei Himmelhunde“ [Voland & Quist]: Es gibt ihn noch, den guten, alten Fun-Punk. Und das in Buchform. Über die Videokassettensammlung aus dem Keller. B- und C-Trash. Ein Tribute an den grandiosen Chuck Norris und noch schlechtere Darsteller. Fast wünscht man sich zurück in die dosenbiergetränkte Pizzakarton-Atmo seiner verranzten Studentenbude. Aber Vorsicht: Die Filme lesen sich tausendmal besser, als sie je waren (nüchtern betrachtet).
Charles Bukowski, „Alle reden zu viel“ [Maro]: Buk lebt! Knorrig, trocken, aufrichtig, bärbeißig. So wie ihn man aus all seinen Gedichten kennt. Von wegen Totentanz. Stolz, selbst in der Niederlage, ganz bei sich: „… und dann kommt mir der für manche / vielleicht obszöne Gedanke: / es ist immer noch schön, / Bukowski zu sein.“
Joe R. Lansdale, „Das abenteuerliche Leben des Deadwood Dick“ [Tropen]: Es gab ihn wirklich, den Willie Jackson alias Nat Love, der als berühmtester afroamerikanischer Cowboy in die Geschichte des Wilden Westens einging. Vielleicht nicht gar so schelmisch, wie er hier im Buche steht. Aber trotzdem historisch verbrieft. Genauso wie die Figuren aus der HBO-Serie „Deadwood“, die in diesem pikaresken Spaghetti-Western natürlich auch ihren kurzen Auftritt feiern.
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