Ein Abend mit Lebenszeitvernichtungskohl. Bemerkenswert mit welcher aberwitzigen Banalität sich das Autorenpaar der Geschichte einer Persönlichkeit nähert, deren Name sich an alles oder jeden anhängen lässt. Wirrwarrkohl will eine Farce sein, ein absurdes Sittenbild der 1970er. Eine Zeit über die Spätgeborene fachsimpeln, ohne sie erlebt zu haben, zumindest die Outfits der fünf Protagonisten sind halbwegs authentisch. In der Uraufführung „Helmut Kohl läuft durch Bonn“ in der Bonner Werkstatt laufen nur die Schauspieler hin und her, von Wortspiel zu Singspiel, von Szene zu Sketch, auch das Publikum bleibt nicht unbehelligt. Natürlich nicht. Ein Kohl für alle Fälle oder warum das Wort „oder“ nicht nur ein Fluss, sondern auch ein Bindebonn sein könnte, oder Neisse, oder Helmut Kohl, oder was? So richtig wird einem das Konzept nicht schlüssig und das scheint auch zum Autoren-Konzept zu gehören, das ein trashsehnsüchtiges, monumentales Polit-Drama sein möchte, welches mit biografischen Ambivalenzen von Helmut Kohl spielen möchte. Dazu gehören nicht nur historische Halbwahrheiten sondern auch freche Lügen.
Sagen wir es mal so, es ist kein verlorener Abend, vielleicht einer an dem man etwas anderes hätte machen können, aber nicht muss. Die sechs Performer mühen sich jedenfalls redlich, den Text in der richtigen Reihenfolge herunterzubeten, da muss ab und an auch die Textvorlage mithelfen. Natürlich tritt auch der unvergessene Franz Josef Strauß auf, dem die Amigos fehlen und Hannelore Kohl wird in Shakespeare-Korsetts geklemmt, ein paar Daten aus der Jugendzeit der omnipotenten Birne, aber im Zentrum steht natürlich die immerwährende Kanzlerschaft des Dr. Kohl, der in dieser Inszenierung auch noch zwangsweise in die Christdemokratie gezwungen wird, vom Vegetarismus „geheilt“ und in die Politik quasi gezwungen wird. Eine Parodie, die mit Wortspielen wuchert bei denen die Schauspieler häufig selbst grinsen müssen. Dennoch, mehr ist es dann auch nicht.
Sehr hübsch dagegen ist die Auseinandersetzung um das Kanzleramt, genannt Kanzlerduell, bei dem der Posten immer als Preis ausgeschrieben ist. Kohl verteidigt seinen Posten solange es geht, mit Tricks und Schummeleien ist er ja überhaupt erst Kanzler geworden, der Senegal half ihm dabei. Doch beim Saufgelage gegen Gerhard Schröder muss er passen, denn der kann noch besser betrügen als er. Kohl verliert sturzbetrunken und kann, na endlich mal historisch belegt, seine Abdankung nicht ertragen, will noch weitere vier Jahre um Europa zu vereinen, noch acht um Eurasien zu konstruieren und mit 16 weiteren Jahren wäre die ganze Welt – Bonn. Doch irgendwie hat das nicht geklappt.
So richtig siffig wird es dann am Schluss. Der Kanzler geht – wie im richtigen Leben – mit seinen Söhnen ins Gericht, nicht ins Bonner Landgericht sondern ins Saarlandgericht, doch Helmut II hat hier ein totalitäres System errichtet, wegen entzogener Liebe. Nun klatscht man sich die Slapstick-Eier um die Ohren, Birnen kamen eigentlich garnicht vor. Warum nicht? Zu platt. Oder zu Kohl. Oder komm´se heut nicht, komm´se Bonn.
Helmut Kohl läuft durch Bonn | Di 4.2., So 16.2, So 23.2, 20.00Uhr | Werkstatt Bonn | www.theater-bonn.de
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