Gärten und Gemüsefelder zwischen Wohnblocks und Häusern aus der Gründerzeit. In Kuba musste man eigene Wege zur Versorgung des Volkes gehen, angesichts einer jahrzehntelangen politischen Isolation. Was aus der Not geboren wurde, entwickelt sich in unseren Tagen zu einem Verkaufserfolg. Agrarforscher sind sich einig, dass Kubas Umgang mit der Landwirtschaft ökologisch beispielhaft ist. Trotzdem bleiben die ökonomischen Probleme des Inselstaates gewichtig, so dass die erwartete Normalisierung in den Beziehungen zu den USA sowohl Hoffnungen als auch Befürchtungen auslösen. Wir das amerikanische Kapital Kuba wieder in eine Wirtschaftskolonie der USA verwandeln, wenn einmal die Dämme der Investoren gebrochen sind?
In dieser Situation ist es aufschlussreich von Kubanern selbst ein Panorama ihrer Heimat eröffnet zu bekommen. „Colimadores - Kuba im Blick“ lautet der Titel der aktuellen Ausstellung der Michael Horbach Stiftung in Köln, die Arbeiten von insgesamt 28 kubanischen Fotografen zeigt. Auch wenn die Unterschiede in den Sujets, den Talenten oder der Ästhetik groß sein mögen, so einigt doch alle Fotografen der Glaube an die Kraft des Realismus und ein bemerkenswertes Selbstbewusstsein im Umgang mit der heimatlichen Lebenswelt. Hier gibt es weder eine Verherrlichung im Stil des sozialistischen Realismus, noch einen nostalgischen Blick auf Fidel Castro und die Revolution. Keine Euphorie und keine Depression, der Blick von Joan Alvado etwa richtet sich auf die sattgrünen Anpflanzungen mitten in Havanna. Kubas Sonderweg im Umfeld der Diktaturen Mittelamerikas wird hier wie selbstverständlich ins Bild gerückt.
Alfredo Ramos fotografiert hingegen Objekte, die von der Meeresströmung wieder an Land gespült wurden. Zumeist handelt es sich um Opfergaben, an die sich Wunschvorstellungen und materielle Bedürfnisse knüpfen. Traurige Indizien für die letzte irrationale Hoffnung der Ärmsten der Armen auf eine Verbesserung ihrer Lebensbedingungen.
Kühne Bildkompositionen, die mit den Möglichkeiten der digitalen Technik die Traumfantasien des Surrealismus verwirklichen, zeigt der 27-jährige, in Havanna geborene Rodney Batista mit seinen Porträts von Menschen, die zu Tieren mutiert sind. Der magische Realismus Mittelamerikas bleibt auch im sozialistischen Kuba präsent. Wie könnte es auch in einer Region anders sein, die neben ihren kultischen Traditionen mit Inbrunst die Passionsfreudigkeit des Christentums lebt. Pep Bonet gibt in seinen dramatischen Bildern von der alljährlichen Wallfahrt zu Ehren des Heiligen Lazarus eine Vorstellung von den Gefühlswelten der Afro-Kubaner, für die sich in der Gestalt des Heiligen der Yoruba-Gott mit den christlichen Heilsvorstellungen vereinigt. Dreißig Kilometer ist der Wallfahrtsort Santiago de la Vega von Havanna entfernt, zu dem viele der Pilger auf Knien über die Landstraße robben. Von der Unbeschwertheit, die westliche Touristen in der Begegnung mit Kubanern so sehr schätzen, ist in den Bildern der 28 Fotografen nichts enthalten. Aber der Ernst, mit dem sie die eigene Welt in den Blick nehmen, verleiht ihren Arbeiten eine Kraft, die zeigt, dass Kuba einen unverwechselbaren Charakter besitzt, der ein gutes Rüstzeug für die Herausforderungen der unmittelbaren Zukunft darstellt.
„Colimadores – Kuba im Blick“ | bis 30.12. | Michael Horbach Stiftung Köln | 0221 29 99 33 78
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