Der Schlüssel des Abends liegt in einem Tier. „Schrödingers Katze“. Die Formulierung steht kurz gesagt für ein Gedankenexperiment der Quantenphysik, das den Zustand der Überlagerung, einen Schwebezustand zwischen Zerfall und Nichtzerfall, zeigen soll. Die Gruppe Port in Air versucht in ihrem Stück „Between the things“ im artheater, diese Transformation ‚dingfest’ zu machen. Die acht Darsteller liegen zunächst gelangweilt lasziv in den kleinen Zellen, die acht aufeinandergestapelte Funktionstische bilden, und starren ins Publikum. Die Frauen heißen Margaret und Beatrice und tragen graue Kleidchen, die Männer in ihren grauen Hosen und Hemden hören auf die Namen Jack und Arthur; einen Hauch von Individualität verleihen ihnen einzig die grellroten Ketten, Tücher oder Hosenträger; Identität und Psychologie sind schon im begrenzten Namensvorrat abhanden gekommen. Ihre Dialoge sondern sie im Stakkato ab. Es geht um Krähen, Fruchtfliegen, Bäume, Suppe, Bohrer oder Nussknacker. Alltagsgespräche, deren Zielrichtung allerdings der pseudologische Zirkelschluss ist. Allmählich geraten die Bezeichnungen der Dinge ins Rutschen und mit ihnen auch die Geschlechter. Die Männer werden unversehens zu Frauen, die Frauen zu Männern. Dass beide Geschlechter in einer langen Szene über einen Tampon – Prinz Charles und Lady Camilla lassen grüßen – ihren innigsten Moment haben, ist von schräger Komik.
Erscheint das Changieren der Bedeutung zunächst als ein Freiheitsmoment, das jede Geschlechtszuschreibung verflüssigt, so schlägt es bald in komplette Spießigkeit um. Wo Bezeichnungen frei flottieren, drehen sich die Gespräche im Hamsterrad der Selbstgenügsamkeit und entziehen dem Dialog jeden Sinn. „It doesn’t make that much difference“, lautet der passende Satz dazu. Es gibt allerdings eine Figur, gespielt von Jeena Kannapilly in grauen Kostüm mit rotem Top, die als eine Art Maklerin, Möbelverkäuferin oder Zeremonienmeisterin durch den Abend geht und zumindest den Anschein von Individualität erweckt, ohne dass ihre Rolle allerdings wirklich klar würde.
Regisseur Richard Aczel hat den neun virtuosen Darstellern vom Englischen Seminar ein strenges choreographisches Korsett verpasst. Sie springen im Wechsel hinter den Tischen hervor oder stehen eingezwängt in den Käfigen aus Tischbeinen. Die Möbel werden zu immer neuen symmetrischen Arrangements zusammengeschoben. Gelegentlich fühlt man sich an Pina Bausch erinnert, wenn die Frauen sich den Männern zu Füßen werfen oder die sich wiederum ihre Ohrfeigen abholen. Mit der Zeit allerdings ächzt die zweistündige Inszenierung, die in englischer Sprache gespielt wird, unter ihrem forcierten Kunstwillen. Die Ehekräche oder eine Friedhofsszene lassen zwar Restbestände eines Plots erahnen, doch der bleibt quantenphysikalisch derart in der Schwebe, dass eine gewisse Beliebigkeit nicht zu übersehen ist. Nichtsdestotrotz ein anregender Abend, der die Qualität der Gruppe Port in Air einmal mehr unter Beweis stellt.
„Between the things“ I Port in Air I weitere Termine voraussichtlich im Dezember
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