Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.584 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

„Jerry“ aus der Reihe „Tom & Jerry“
Foto: s/w Fotoprint, 70x100 cm, 2015, © Rawand Jawad

Mehr als Himmel und Hölle

10. August 2021

„Paradiese“ in der Kunsthalle Lindenthal – Kunst 08/21

Dieses Mädchen in schwarz-weiß vor dem Panzer ist eigentlich kein wirklich schöner Anblick. Da hilft es auch nicht, dass es sich ein Bild von Jerry aus der Zeichentrickserie „Tom & Jerry“ vor das Gesicht hält. Aber hier macht der Künstler Rawand Jawad eben auch klar, wo das Paradies ganz weit weg zu sein scheint: in den Geschichten der Kinder aus seiner Heimatstadt Erbil, die ihre Kindheit in den Wirren der Kämpfe um die Autonome Region Kurdistan verloren haben. Und so passt sein Bild dann doch wieder in das gemeinsame Online-Kunstprojekt des Autorencafés fremdwOrte und des Kunstvereins 68elf, das vom 13. bis zum 28.8. in der Kunsthalle Lindenthal als Ausstellung zu sehen ist. Denn wie der Name bereits verrät, dreht sich hier alles um ein einziges Wort: „Paradies“.

Es sind bei weitem nicht nur die positiven Assoziationen mit dem Begriff, die dabei abgebildet werden, so viel wird schnell klar. Ganz im Gegenteil: Oft sind es ausgerechnet verlorene Paradiese wie die schöne Erinnerung an lange Vergangenes, die es den Künstlern wert sind, über sie zu berichten – oder aber der schlimme Gedanke, dass ein Paradies überhaupt nicht existiert. Dadurch ergibt die Zusammenstellung ihrer Werke vielleicht alles Mögliche, aber keine Anhäufung von Kitsch. Sie ist ein buntes Durcheinander zwischen Euphorie, Nostalgie und Schmerz, zwischen teilweise harter Realität und wundersamem Traum.

Zeitgemäßer Dialog

Vor allem ist sie aber eine kreative Gegenüberstellung von 38 bildenden Künstlern und Schriftstellern mit ganz verschiedenen persönlichen Hintergründen aus Köln und aller Welt, die sich ganz verschiedene persönliche Paradiese vorstellen. Gemeinsam haben sie nur, dass sie alle bestehende oder eigens dafür hergestellte Werke zu dem seit Ende 2020 laufenden Online-Projekt beigesteuert haben – und so auf einer neuen Metaebene zusammenwirken. Hier liegt auch gerade die Absicht hinter dem Ganzen begründet.

„Jeder Mensch verbindet etwas ganz eigenes mit dem Wort ‚Paradies‘. Mit unserem Projekt wollen wir einen Dialog darüber ermöglichen“, erklärt Kuratorin Christiane Rath, die „Paradiese“ zusammen mit Kulturvermittler Roberto DiBella initiiert hat. Und tatsächlich wirkt dieser Dialog – trotz des wuchtigen Wortes, das ihn antreibt – auch wirklich zeitgemäß.

Immerhin sind viele der allgemein bekannten Vorstellungen von Himmel und Hölle recht eindimensional und alles andere als aktuell. Vielmehr ist die Idee des Paradieses aus der kollektiven Vorstellung des Jenseits in das ganz persönliche Hier und Jetzt der Menschen gewandert, um dem Einzelnen zu überlassen, es für sich selbst zu entdecken. Im Umkehrschluss wird daraus eine traurige Erkenntnis, wenn man bedenkt, dass jeder – ob er es nun ganz nah oder weit weg von sich selbst empfindet – nur sein eigenes Paradies kennt, ohne zu wissen, was das Wort für andere bedeutet. Vielleicht kann „Paradiese“ von Christiane Rath und Roberto Di Bella an dieser einen Stelle etwas Abhilfe schaffen. 

Paradiese | 13. - 28.8., Fr 18-21 Uhr, Sa, So 15-18 Uhr | Kunsthalle Lindenthal | www.paradiese.koeln/projekt

Vincent Fischer

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Heretic

Lesen Sie dazu auch:

Malerei nach der Malerei
Egan Frantz in der Galerie Nagel Draxler

Tiefe Fetzen Wirklichkeit
Marcel Odenbach bei Gisela Capitain

„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25

Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24

Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24

Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24

Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24

Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24

Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24

Suche nach Menschlichkeit
Burkhard Mönnich in der Galerie Martinetz – Kunst 05/24

Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24

Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24

Kunst.

HINWEIS