Der Patriarch ist unter der Erde, die Familienschlachtplatte ist angerichtet. In der Bonner Werkstatt nimmt die Tafel zum Leichenschmaus die gesamte Breite der Bühne ein. Die Weston-Family hat Platz genommen und dann holt Big Mummie Violet das seelische Bolzenschussgerät raus und streckt nacheinander ihre drei Töchter verbal nieder. Ohne Gnade. Die zarte Tanja von Oertzen läuft hier mit messerscharfen Repliken zur Hochform auf – bis sie von Tatjana Pasztor als Tochter Barbara einfach körperlich niedergerungen wird.
Tracy Letts hat mit den Westons eine klassische Familienruine auf die Bühne gebracht, wie man sie von Tennessee Williams oder Eugene O’Neill kennt. Violet ist tablettensüchtig und hat Mundhöhlenkrebs im Lästermaul, ihr Mann Beverly ist Fulltimealkoholiker und macht sich nach der ersten Szene aus dem Staub. Diagnose: Selbstmord. Nach dem Tod des Alten kommen die Töchter zurück ins Haus im Osage County, in dem es keine Klimaanlage gibt und deswegen brütend heiß ist. Dann wird in alter Wellmade-Play-Tradition die Familie seziert: zwei verrottete Ehen, Kindsmissbrauch, ein uneheliches Kind, Inzest und ein nicht verhinderter Selbstmord ergibt die Bilanz. Tochter Karen (Birte Schrein) ist eine überzuckerte Plaudertasche, die den Kindergrapscher Steve (Stefan Preiss) im Schlepptau hat. Der macht sich an die 14jährige Jean (Philine Bührer) ran, die Tochter der furienhaften Barbara und ihrem mit Studentinnen fremdgehenden Mann Bill (Hendrik Richter). Verhuscht mit punktuellem Aufbäumen dagegen Ivy (Nina Vodop’yanova), die ihren Cousin bzw. Halbbruder Charles liebt.
Ingo Berks Inszenierung ist unterhaltsam und psychologisch genau, allerdings erweist sich die Werkstatt als der falsche Spielort. Das Stück ist kein Kammerspiel. Der kleine Raum legt den Schauspielern allzu hart die Zügel an. Dass sie das trotzdem mit Bravour meistern, macht den dreistündigen Abend doch noch zum Genuss. Am Ende sucht auch Barbara ihr Heil in Tabletten und Whiskey – bis zum Zusammenbruch, als Violet ihr gesteht, den Selbstmord ihres Mannes absichtlich zugelassen zu haben. Was würden die Theater nur spielen, wenn es keine Familien(dramen) gäbe?
„Eine Familie“ von Tracy Letts | R: Ingo Berk | Theater Bonn
Sa 10.9., Mi 14.9., Fr 23.9. je 19.30 Uhr | 0228 77 80 08
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