Es ist konsequent, dass die erste Retrospektive von Tobias Zielony im Museum Folkwang stattfindet. In diesem Museum hat der 1973 in Wuppertal geborene Foto- und Videokünstler zu Beginn seiner Karriere ausgestellt, dessen damaliger Fotokurator hat ihn 2015 zur Biennale nach Venedig eingeladen und in Essen-Werden lebt sein einstiger Professor an der Hochschule Leipzig, Timm Rautert. Und vor wenigen Wochen hat Zielony im Ruhrgebiet eine Fotoserie für die Ruhrtriennale fertiggestellt.
Die Überblicksausstellung der letzten zwanzig Jahre verdeutlicht, wie konsequent Zielony seinen Themen und seinem Stil verpflichtet bleibt. Zwischen Dokumentation und möglichen Erzählungen entwickelt er fotografische Werkgruppen und Diastrecken. Gleichzeitig dreht er Videofilme, die sich einzelnen von der Politik und Gesellschaft vergessenen Orten zuwenden. Die Perspektive folgt den Jugendlichen und jungen Menschen, die nach einer Identität suchen und zwischen Hoffen und Fatalismus schwanken, etwa wenn sich Zielony auf die von Arbeitslosigkeit dominierten Plattenbauten von Halle-Neustadt oder die heruntergekommene, von der Industrie verlassene kalifornische Stadt Trona einlässt. Zielony gelingt eine Intensivierung der Situation, eine Analyse mit großartigen Einzelbildern, die Leere und Verfall mit Genauigkeit im Hinschauen verbinden. Er arbeitet die Codices der Communities heraus und berücksichtigt die historischen und soziologischen Hintergründe.
Das gilt genauso für den dystopischen Film einer labyrinthischen Wohnanlage in Neapel, in der die Camorra herrscht, für die Fotoserie und Videoinstallation zur LGBTQIT*- Community in Kiew mit ihren Partys nach der Maidan-Revolution 2004/05 oder für die installative Präsentation der Venedig-Arbeit zur Situation der Flüchtlinge. Zu sehen sind aber auch die absurden, freien Kunstfilme, welche die Rolle von filmischen Zitaten und atmosphärischer Dichte für dieses Werk unterstreichen. Für die jüngste Künstlergeneration ist Tobias Zielony bereits ein Referenzkünstler – im Museum Folkwang kann man nachvollziehen, warum das so ist und was seine Leistung ausmacht.
Tobias Zielony – The Fall | bis 26.9. | Museum Folkwang, Essen | 0201 884 54 44
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Funktion und Kultur
Die „Ladentische“ von Anja Schlamann in der Michael Horbach Stiftung
Lebende Pflanzen in Schwarz-Weiß
Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark
Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24
Ohne Filter
„Draussensicht“ in der Oase – Kunstwandel 01/24
Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23
Sehen in Lichtgeschwindigkeit
Horst H. Baumann im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 10/23
Lichterfüllte, funktionale Orte
Lucinda Devlin mit einer Werkschau in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 04/23
Formen und Strukturen
Drei Alfred Ehrhardt-Programme im Filmhaus – Film 04/23
Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23
Orte in der geformten Landschaft
Sammlungspräsentation Teil 2 der SK Stiftung Kultur – kunst & gut 10/22
Tradition und ihre Gegenwart vor einigen Jahrzehnten
Raghubir Singh im Fotoraum des Museum Ludwig – kunst & gut 09/22
Sammlung ordnen
Porträt, Landschaft und Botanik in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 06/22
Richter daheim
Gerhard Richter im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 11/24
Menschen allein
Lars Eidingers Ausstellung „O Mensch“ in Düsseldorf – Kunst in NRW 10/24
Noch gemalt
„Zwischen Pixel und Pigment“ in Herford und Bielefeld – Kunst in NRW 09/24
Farbe als Ereignis
Katharina Grosse im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 07/24
Farbe an Farbe
Otto Freundlich und Martin Noël in Bergisch Gladbach – Kunst in NRW 06/24
Am Anfang der Abstraktion
Hilma af Klint und Wassily Kandinsky in Düsseldorf – Kunst in NRW 05/24
Glaube und Wissenschaft
Louisa Clement im Kunstmuseum Bonn – Kunst in NRW 04/24
Ritt durch die Jahrhunderte
Die Neupräsentation im Kunstpalast in Düsseldorf – Kunst in NRW 02/24
Ende eines Jahrhunderts
George Minne und Léon Spilliaert in Neuss – Kunst in NRW 01/24
Puls des Lebens
Chaïm Soutine im K20 in Düsseldorf – Kunst in NRW 12/23
Ganz leicht
Christiane Löhr im Bahnhof Rolandseck – Kunst in NRW 11/23
Die stille Anwesenheit der Dinge
Cornelius Völker im Kunstpalast Düsseldorf – Kunst in NRW 10/23