Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
10 11 12 13 14 15 16
17 18 19 20 21 22 23

12.589 Beiträge zu
3.816 Filmen im Forum

Lebenswandel gegen Gottbeweis (2011), Acryl auf Leinwand, 70cm*90cm, © by julja schneider
Foto: Thomas Dahl

Faszination für krumme Linien

05. Februar 2024

Julja Schneider im Maternushaus – Kunstwandel 02/24

Da flirren sie nun – und können nicht anders. Julja Schneiders 88 Zeichnungen im Kölner Maternushaus erfüllen mit Sicherheit die Ansprüche an ein Menü, das kein Lieferdienst herbeibringen kann. Dabei stehen die Pforten zur Werkschau täglich offen, doch die Auswahl ist im positiven Sinne untragbar. Schneiders Fabelwesen und reflektierende Standortbestimmungen im Nirgendwo entziehen sich jeglichem Zugriff und der darauffolgenden Einordnung in die populären Konsumkategorien. Hasen, Vögel, Pandas, Seeigel, (Beethovens) Klaviere und Wörter schlafwandeln in einer nicht kartografierten Landschaft in nebulösen Farbtönen durch den Raum. 

Die Zeichen stehen auf Verwirrung, nur um mit provokanten Aussagen temporären Halt zu suggerieren. Dabei offeriert das Einstiegsbildnis im Tagungshaus der Katholischen Kirche auf der Kardinal-Frings-Straße einen fairen Deal: „biete lebenswandel gegen gottesbeweis“ heißt es da in purpurnen Buchstaben auf leichenweißem Hintergrund. Auf dem Boden, nach unzähligen Variationen aneinandergelegt, ließen die Arbeiten vielleicht einen Atlas erkennen, der die Betrachter:innen in ein Zentrum führt, das entscheidende Antworten beherbergt. Erstens: Gott existiert, aber er oder sie weiß nichts davon. Zweitens: Die beste aller Ideen ist die Liebe. Und drittens: Ordnung ist eine Illusion, die der Humor sich ausgedacht hat. Mit dem Text-im-Bild-Hinweis, „bitte keine Seeigel auf der Straße herumliegen lassen“, erfüllt die Ausstellung zudem ihren Bildungsauftrag. Diese altruistische Einstellung gilt es in einer egomanen Kunstszene wertzuschätzen. Im Ernst, Julja Schneider gelingt mit ihren Arbeiten im wahrsten Sinne des Wortes ein Kunststück, denn sie überzeugen die Betrachter:innen, Zeit zu opfern. Zeit für die Faszination von krummen Linien, die die Rechtshänderin mit links zog, für angenehme Farbtöne, die nicht blenden, für Amüsement und Schrecken in bizarren Comic-Miniaturen, für fehlende Informationen zu Titeln, verwendeten Materialien oder Formaten, die nur ablenken, und schließlich für eine fundamentale Philosophie, die nichts erklärt, aber klare Aussagen beinhaltet. Tun Sie sich das um Gottes Willen an!

Was der Lieferdienst nicht bringt | bis 21.2. | Anwesenheit der Künstlerin: 18.1., 2., 9., 16.2. je 16-18 Uhr, 26.1. 14-16 Uhr | Maternushaus, Köln | 0221 163 10

Thomas Dahl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Wunderschöner

Lesen Sie dazu auch:

Modelle für die Zukunft
Walter Pichler und Friedrich Kiesler in Krefeld – Kunst in NRW 02/25

Raum auf der Fläche
Rune Mields in der Galerie Pamme-Vogelsang und in Aachen

Geister, Feuer, Poesie
Drei mythische Ausstellungen in Köln – Galerie 02/25

Krieg aus der Luft
Gerhard Richter in der Kunststation St. Peter

Wege aus dem Bild
Drei Kölner Ausstellungen mit bewegten Wesen – Galerie 01/25

„Was ist ,analoger‘ als der menschliche Körper?“
Kuratorin Elke Kania über „Zeit-Bilder.“ im Aachener Kunsthaus NRW Kornelimünster – Interview 01/25

Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24

Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24

Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24

Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24

Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24

Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24

Kunst.

HINWEIS