Im Anfang war das Wort, und am Ende steht das Bild. Alice Buddeberg bringt zum Auftakt des Bonner Schauspiels Alfred Döblins „Karl und Rosa“, den vierten Teil des Romans „November 1918“, auf die Bühne und rahmt ihre Inszenierung mit dem Ausbuchstabieren eines projizierten Textes durch die Schauspieler und einem schnell geschnittenen Kompendium aktueller Aufstände. Ein Mediensprung, bei dem der Umsturz zum visuellen weißen Rauschen wird.
Ein hölzerner Bühnenbildtrichter, an dessen vorderer Kante ein Streifen Erde durchbricht, beherbergt das Personal dieser missratenen deutschen Revolution von 1918. Rosa Luxemburg (Sophie Basse) irrlichtert in ihrer Zelle, heimgesucht von ihrem gefallenen Geliebten Hannes (Alois Reinhardt als gekälkt-expressionistischer Untoter). Eine Revolutionärin im privaten Schmerz erstickt, dann wieder sich selbst disziplinierend („Reiß‘ dich zusammen, Rosa“). Als sie nach dem Kriegsdebakel endlich freikommt, gerät sie prompt in Strategiekonflikte mit Kommunistenkollege Karl Liebknecht, von Glenn Goltz als unauratischer Schwärmer der Massen und wortreicher Propagandist des Aufstands gezeichnet.
Döblins im Exil entstandener Roman ist ein Requiem der deutschen Geschichtsmisere, das den historischen Gestalten mit ihren privaten Malaisen den Lehrer Friedrich Becker zur Seite stellt, dessen Leben wiederum mit den Zeitläuften aneinandergerät. Ein schwer vom Krieg Traumatisierter, von Sören Wunderlich bis zum gläubigen Neurotiker getrieben, der tastenden Schrittes – Beckmann lässt grüßen – sich zurechtzufinden versucht. Seine Freundin wirft sich einem Freikorpskämpfer an den Hals, er unterrichtet völkische Schüler und versucht, seinen schwulen Schuldirektor zu verteidigen. Überall lauert als Beweis historischen Scheiterns schon die Restauration, angetrieben von einem an Bulgakow erinnernden, charismatischen Satan (ebenfalls Alois Reinhardt). Die Regisseurin nutzt die Vorlage für einen ins Surreale übersteigerten Bilderbogen, lässt die Körper zucken und zappeln. Doch Döblins unverbundene Romanebenen bekommt sie damit nicht in den Griff. Da nutzt es auch nichts, dass Rosa als Beobachterin in fast jeder Szene präsent bleibt. Der vierstündige Abend zerfällt so sukzessive immer mehr in Einzelszenen, der große Erzählbogen fehlt – das Durchrauschen der Revolution.
„Karl und Rosa“ | Theater Bonn | 16./23.11. 19.30 Uhr | www.theater-bonn.de
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