Das Thema Religion ist aus den Schlagzeilen kaum wegzudenken, dank der zahlreichen gewalttätigen Auseinandersetzungen, die weltweit im Namen von Religionen geführt werden. In der öffentlichen Debatte sind Atheisten und Konfessionslose trotz Gallíonsfiguren wie Richard Dawkins dabei weitaus seltener zu hören als die Vertreter der organisierten Religionen – auch um dies zu ändern, hatte der Internationale Bund der Konfessionslosen und Atheisten (IBKA) zum zweiten Mal nach 2012 Gleichgesinnte aus aller Welt zur Tagung ins Kölner Comedia-Theater eingeladen. Unter dem Motto „Give Peace a Chance“ tauschten sich die Teilnehmer hier darüber aus, wie es um den Säkularismus in ihren jeweiligen Heimatländern steht.
Die Rednerliste zeigte einen Querschnitt der internationalen Atheistenszene: Aus den USA waren der ehemalige Prediger Dan Barker und seine Frau Annie Laurie Gaylor angereist, die gemeinsam die „Freedom from Religion Foundation“ gegründet hatten. Die Aktivistin Nada Peratovic aus Kroatien sprach über die Renaissance des Katholizismus in ihrem Heimatland, die Ägypter Ismail Mohamed, T. A. [Name anonymisiert, Red.] und die Britin Maryam Namazie hingegen berichteten über die Situation von Atheisten in muslimisch geprägten Ländern. Leo Igwe aus Nigeria wiederum brachte eine afrikanische Perspektive in die Diskussion um den Dschihadismus in Ländern wie Nigeria und Mali. Prominentester Teilnehmer war Greg Graffin, der sich sowohl als Sänger der Punk-Band „Bad Religion“ als auch als Evolutionsbiologe für seine Überzeugung einsetzt und dafür mit dem IBK-Award „Sapio“ ausgezeichnet wurde.
Inhatlich waren sich die Teilnehmer weitgehend einig: „Religion wirkt auf kriegerische Konflikte wie Brandbeschleuniger“, wie es der Autor Carsten Frerk in seinem Vortrag formulierte. Religion stifte Unruhe, vor allem, wenn sie mit Politik vermengt werde – die beste Chance auf Frieden verspreche daher eine säkulare Regierung, argumentierte Dan Barker. Dass die meisten Religionen eine starke Friedensethik hätten, ließ er dabei nicht gelten: „Gerade im Christentum ist Frieden etwas, das den Menschen von oben zuteil wird – nachdem man aufgegeben und sich Gott unterworfen hat. Wahrer Frieden aber entsteht nur aus freier Entscheidung“.
Auch mit dem Islam gingen viele der Beiträge hart ins Gericht – so auch Ismail Mohamed und T. A., die ihn als inkompatibel mit einer aufgeklärten Gesellschaft bezeichneten. Auf der anderen Seite sorgte der Historiker Rolf Bergmeyer für ein Gegengewicht, in dem er darauf verwies, was die europäische Kultur dem Islam durch die Bewahrung griechisch-römischen Wissens verdankt. „Es ist eben unser Anspruch, die Dinge aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten“, so René Hartmann, Vorsitzender des IBK, „daher wollen wir diese Blickwinkel auch darstellen“. Auch der Ire Michael Nugent brachte versöhnliche Töne in die Debatte: „So streng man mit falschen Ideen sein muss, muss man doch denen gegenüber mitfühlend sein, die an sie glauben“.
Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.
Der fehlbare Mensch
GastautorInnen zu grundlegenden Fragen des menschlichen Zusammenlebens – Anstoß 06/19
System Error (1)
Pluriversale VI: Arun Kundnani über die politische Krise des Westens – Spezial 07/17
Wurzeln des Rechtsextremismus
Online-Vortrag „Ist die extreme Rechte noch zu stoppen?“ – Spezial 09/24
Eine Historie des Rassismus
Der Kölner Rom e.V. unterstützt Sinti und Roma – Spezial 07/24
Die Stimme des Volkes?
Vortrag „Was Populisten wollen“ in Köln – Spezial 06/24
Zeitlose Seelenstifter
„Kulturretter:innen“ im NS-Dok – Spezial 06/24
Gezielt helfen
Ingrid Hilmes von der Kölner Kämpgen-Stiftung – Spezial 05/24
Zwangloses Genießen?
Vortrag „Die post-ödipale Gesellschaft“ im Raum für Alle – Spezial 04/24
Stabiler Zusammenhalt
„Der Streitfall“ in der Stadtbibliothek – Spezial 03/24
Der Traum von Demokratie
#Streitkultur mit Michel Friedman am Urania Theater – Spezial 02/24
Narrative der Armut
Christopher Smith Ochoa in der VHS – Spezial 11/23
Soziale Vision der Wärmewende
Konferenz in Bocklemünd – Spezial 10/23
„Gedenken ist kein rückwärtsgerichtetes Tun“
Seit rund einem Jahr leitet Henning Borggräfe das NS-Dok – Interview 10/23
Klimarettung in der Domstadt
Die 2. Porzer Klimawoche – Spezial 09/23
Alle Hebel in Bewegung setzen
Arsch huh, Zäng ussenander und Fridays for Future beim Gamescom City Festival – Spezial 09/23
Ein Teil des „Wir“
Diskussion in der Bundeskunsthalle – Spezial 08/23
Auf Augenhöhe
25 Jahre Philosophisches Café in Bonn – Spezial 07/23
Arbeitsstreik und Lebensdichtung
„Her mit dem guten Leben!“ in der BKH Bonn – Spezial 0623
Grünes Licht für Fußverkehr
Diskussion im Haus der Architektur – Spezial 05/23
Worte und Wissen gegen Gewalt
Lesung im NS-Dokumentationszentrum – Spezial 05/23
Klimaschutz made in Europe
Podiumsgespräch im Domforum – Spezial 04/23
Feministische Mobilität
„Verkehrswende? Geschlechtergerecht!“ im Bürgerzentrum Deutz – Spezial 04/23
Selbstlosigkeit in der Krise
T. Metzinger in der Stadtbibliothek – Spezial 03/23
Gelobtes (und umkämpftes) Land
„Mein Israel und ich“ in der VHS – Spezial 03/23
Freiheitskämpferinnen
Diskussionsrunde in der VHS Köln – Spezial 02/23