Mit dem ersten Advent beginnt sie unweigerlich, die Zeit der Weihnachtsfeiern. Jede Gruppe, jeder Verein und der Freundeskreis wollen einen Abend im Advent reserviert haben. Das Theater im Bauturm widmet sich in seinem Vorweihnachtsstück einer besonderen Variante: der Betriebsfeier. Und so findet sich das Publikum mit dem ersten Blinken der kitschigen Baumbeleuchtung wieder auf Seiten der Mitarbeiter. Die müssen an diesem Abend zwangsläufig die Auftritte verfolgen, die da durch die Kollegen und die Chefetage aufgeboten werden. Auf der Bühne neben dem unweigerlichen Weihnachtsbaum: eine Bierbank, Stühle, Lametta. Die Trostlosigkeit spiegelt in etwa die Motivation der Mitarbeiter wider. Die Mails des Organisators wurden – wie jedes Jahr – kaum beantwortet, das Firmenschild der „Sedoga – Zement und Kommunikation“ hängt schon zu Beginn schief. Direktor Dethloffs (Bauturm–Dramaturg René Michaelsen) gibt zwar Schwächen in der Führung zu, bedauert die Krise und die Entlassungen, flüchtet sich aber in Durchhalteparolen: „Weihnachten – nehmen Sie doch mal eine Auszeit!“
Die Stationen des Theaterabends folgen locker und eher willkürlich den Programmpunkten der Weihnachtsfeier: Der Hausmeister (auch Michaelsen) liest aus der Weihnachtsgeschichte, ist aber nah am Wasser gebaut. Ein Kollege (auch auf der Bühne wandlungsfähig: Bauturm–Leiter Laurenz Leky) versucht sich darin, den Kollegen (und damit dem Publikum) mal ganz körperlich näher zu kommen. Und der schüchtern–nerdige „Schneppi“ aus der EDV–Abteilung ist auf der Suche nach einer Frau – weil Gemeinschaft und so: „Und Nähe...also wenn Bedarf besteht, kann ich reagieren...“
Das Zweipersonenstück besteht zum einen aus parodierten Festtagsreden zum Publikum bzw. Kollegium hin. Zum anderen spielen Michaelsen und Leky kurze Szenen zwischen den Mitarbeitern, mal krawallig, mal bunt im Kostüm, meist mit Knalleffekt. „Kommet ihr Hirten“, das Weihnachtslied der Wahl, trennt die Auftritte, nimmt aber oft auch das Tempo aus der Vorstellung. Dennoch genügt der Rahmen der Weihnachtsfeier für einen kurzweiligen Abend. Auch wenn die Frage gestellt werden darf, ob man sich hier etwas zu oft in alle möglichen Dialekte flüchtet: Vergnüglich anzuschauen ist das, solange man in diesem gutmütigen Adventsstück keine tiefere Erkenntnis sucht. Klar, die wirtschaftliche Krise wird angedeutet und der türkeistämmige Mitarbeiter ruft in besonders einfacher Manier – natürlich mit türkischem Akzent – zu größerer Differenzierung auf („Alles ist halb scheisse, halb heilig“). Die gerade tobende Debatte um die Zukunft der Arbeit, um soziale Absicherung, Machtverhältnisse, Armutsschere darf dabei draußen bleiben. Dafür gibt es Parodien der allseits bekannten Klischeefiguren aus der Arbeitswelt und neben Weihnachtsmusik auch ein, zwei unvermeidliche Pophits sowie ein doppelbödiges Spiel der neuen Theaterleitung im Bauturm.
Denn „Weihnachtsfeier. Ein Betriebsunfall“ ist das erste Stück, an dem die gesamte neue Leitung beteiligt ist. Während Laurenz Leky und René Michaelsen alle Rollen auf der Bühne übernehmen, ist Geschäftsführer Bernd Schlenkrich für die Regie zuständig. Passend zum Stück treten also quasi die neuen Chefs auf. Und wenn René Michaelsen der unsensible, kalte und profitorientierte Chef nicht so recht gelingt, weil er selbst mal lachen muss – dann ist das sicher ein gutes Zeichen für die Belegschaft des Theaters.
„Weihnachtsfeier. Ein Betriebsunfall“ | R: Bernd Schlenkrich | 3., 5., 12., 23., 26.12. je 20 Uhr, 4., 11.12. je 18 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
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