Wem der Titel „beziehungsweise“ nicht eindeutig genug ist, der wird noch vor Beginn dazu angehalten, sich spielerisch in die Thematik des Stücks einzufinden. Jeder Zuschauer erhält die Möglichkeit, beim „Bullshit Bingo“ mitzuspielen: Dabei sollen auf Zetteln solche Sätze festgehalten werden, von denen man vermutet, sie im Laufe des Stücks zu hören. Um es vorwegzunehmen: Gewonnen hat am Ende niemand. Was nicht bedeutet, dass das junge Theaterkollektiv „Ich, die Eine und die Andere“ nicht durchaus mit Klischees spielt. Zitate aus Filmklassikern reichen solchen die Hand, die sich heute auf Instagram und Twitter finden und die das Kollektiv einordnet unter „#relationship goals“. Aber so viel sich über die Jahre auch verändert haben mag, damals wie heute liegt der Fokus auf dem, was der Liebe immanent ist: Glück und Leid.
Das Szenenbild ist schlicht, aber eindeutig: ein Bett – Ort der Intimität, der Leidenschaft, der leisen und lauten Töne, der Träume und Enttäuschungen und ein Ort, der, wenn er nicht geteilt wird, auch Einsamkeit und Rückzug suggerieren kann. Es steht nicht zentral, sondern leicht abgeschrägt auf der rechten Bühnenhälfte. Im Verlauf des Stücks wird es immer wieder Schauplatz von Annäherung und Entfremdung sein.
Was bedeutet Beziehung? Was ist Liebe? Wie und wo findet man sie? Oder sollten wir besser gar nicht erst nach ihr suchen? Und wenn wir sie gefunden haben, wie halten wir sie fest? Um solcherlei Fragen zu illustrieren, nicht, um sie zu beantworten, haben sich die drei Mitglieder des Kollektivs Tatiana Feldman, Noelle Fleckenstein und Franziska Schmid allerhand einfallen lassen. Ob Videoinstallation, Choreografie oder Mitmach-Spiel – langweilig wird es zu keinem Zeitpunkt, eher ein bisschen zu viel. Zwar gibt es den einen oder anderen Lacher, wenn Zuschauer plötzlich auf der Bühne stehen und Teil der Inszenierung werden, es verursacht aber auch einen Bruch, der Unruhe schafft und ablenkt von den Aussagen, die unter die Haut gehen.
Besonders stark sind die ruhigeren Momente, wenn beispielsweise die drei jungen Frauen im Tanz miteinander verschmelzen, sich auflehnen, winden, sich verlieren und wieder zusammenfinden. Oder wenn Noelle Fleckenstein über die Herausforderung spricht, sich zu trauen, sich verletzbar zu machen, wenn sie dabei die Bühne verlässt, um schließlich außerhalb des Theaters vor der Scheibe wieder aufzutauchen – die Scheibe zum Symbol wird für die teils überflüssigen Grenzen, die wir uns selbst setzen und die uns daran hindern, uns auch mal fallen- und aufeinander einzulassen. Warum? Um nicht verletzt zu werden. Denn, ist es das alles am Ende überhaupt wert?
Wer gehofft hatte, in den rund 90 Minuten Antworten auf die vielen angeführten Fragen im Programmheft zu erhalten, dürfte enttäuscht worden sein. Vielmehr entlässt das Ensemble den Zuschauer mit noch mehr Fragen als zuvor. Das macht in gewisser Weise Sinn, denn eine allgemeingültige Antwort auf individuelle Fragen gibt es nicht. Ob der ganze Zirkus um Liebe „Bullshit“ ist oder ob sie die Mühe wert ist, das muss schon jeder für sich selbst entscheiden. Mit „beziehungsweise“ hat das Kollektiv einen Abend geschaffen, der den Zuschauer auf sich selbst und die eigenen Beziehungen verweist und dazu einlädt, die eigenen Wünsche und Sehnsüchte zu reflektieren. Das gelingt zwischen Lachern, Ironie, stimmiger Choreografie, intensiven Dialogen und Monologen oft auf eindrückliche Weise. Auf die Mitmach-Aktion hätte getrost verzichtet werden können – andererseits, was bedeutet schon Beziehung, wenn man nicht aktiv daran teilnimmt.
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