Willy Fleckhaus behielt alles im Blick: die Lesbarkeit und die Durchgängigkeit, die „Frische“ und das Einprägsame. Als Grafikdesigner und Art Director hat er Maßstäbe gesetzt. Die Projekte, die er entwickelt, gestaltet und begleitet hat, lösen noch nach Jahrzehnten Emotionen aus und wirken keineswegs altbacken. Fleckhaus gestaltete Zeitungen und Zeitschriften oder einzelne ihrer Teile, Kataloge und Bücher und deren Cover, Signets und Plakate.
Geboren 1925 in Velbert, ist Willy Fleckhaus nach einer Journalistenausbildung zunächst als Redakteur tätig, so auch für die Jugendzeitschrift „Aufwärts“. 1953 übernimmt er deren Gestaltung. Wenig später wird er, parallel dazu, mit dem Design des Kataloges zur Kölner Photokina betraut; auch einzelne Ausstellungen richtet er dort ein – ein Sprungbrett und nebenbei ein vorzüglicher Kontakt zur jungen Fotografenszene von Horst H. Baumann bis Roger Fritz, die er später in seine Reportagen einbezieht. 1959 ist dann ein entscheidendes Jahr: Fleckhaus macht sich selbständig, einer seiner Kunden ist der Suhrkamp Verlag, für dessen Reihen er einheitliche Erscheinungsbilder entwirft. 1959 wirkt er außerdem bei der Gründung der Jugendzeitschrift „twen“ mit. Im Impressum heißt sein Job: „Bildredaktion und Gestaltung“. „twen“ ist frech, modern, kontrovers und eckt mit seinen Themen und den freizügigen Bildern an. Dafür erfindet Fleckhaus den passenden Rahmen. Einerseits orientiert er sich an der rationalen Ordnung der Schweizer Schule, andererseits greift er die Euphorie und das Unangepasste des amerikanischen Editorial Design auf, etwa indem er die Fotografien über den Bund laufen lässt und die Gesichter heranzoomt und sogar beschneidet. Es ist – zumal in der Rückschau – spannend, wie Fleckhaus bereits in den 1960er Jahren mit Überschriften und Schriftblöcken, mit großen Weißflächen und den Fotografien eine Einheit schafft, auch im Spannungsbogen der Doppelseite und mehrseitiger Strecken.
Der Erfolg von „twen“ als Magazin für den damaligen Zeitgeist liegt auch an der kongenialen Zusammenarbeit mit den Fotografen. Zu diesen gehört Will McBride als Taktgeber vieler Reportagen. Im unverbrauchten Blick auf Deutschland und seine Menschen schuf der aus Amerika stammende McBride Nahaufnahmen in tiefem Schwarz und grober Körnigkeit: ein gefundenes Fressen für den Grafiker. Es ist wunderbar, dass die Ausstellung im MAKK die Fotografien von McBride und seinen Kollegen auch als autonome Bilder präsentiert, vor der Integration in das Layout. Die Zusammenführung mit dem Text löste dann Willy Fleckhaus. Vielleicht liegt eine Bedeutung seiner Arbeit bei „twen“ über das Stilbildende im Grafikdesign hinaus ja darin, das Lebensgefühl einer jüngeren Generation erfasst und sogar mit geprägt zu haben. Damit und seinem Einfluss wurde Fleckhaus neben Otl Aicher zum „Star“ unter den Grafikdesignern. Dass er „Deutschlands teuerster Bleistift“ genannt wurde, bezog sich dann aber auf seine Tätigkeiten für die Literaturverlage Suhrkamp, Insel und Piper, das Frankfurter Allgemeine Magazin und den WDR. „Herzstück“ der Ausstellung sind die minimalistisch gestalteten Cover der „Bibliothek Suhrkamp“ mit ihren Farbstreifen im monochromen Grund und der „edition suhrkamp“ in jeweils einem Farbton, die zusammengestellt die Regenbogenfarben visualisieren. Gerade in ihrem Understatement sind sie einprägsam.
Dass Willy Fleckhaus auch unterrichtet hat, gehört zur Erfolgsgeschichte dieses Praktikers vor den Zeiten von Layout-Programmen und Photoshop. Ab 1974 hat er an der Folkwangschule in Essen und 1980 bis zu seinem Tod 1983 an der Bergischen Universität in Wuppertal als Professor für visuelle Kommunikation gelehrt. Auch da muss er auf konkrete Projekte verwiesen und seine Studenten in diese einbezogen haben: Der Stift war immer dabei.
„Willy Fleckhaus – Design, Revolte, Regenbogen“ | bis 11.12. | Museum für Angewandte Kunst | 0221 22 12 38 60
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