Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
23 24 25 26 27 28 29
30 31 1 2 3 4 5

12.582 Beiträge zu
3.812 Filmen im Forum

Max Regenberg: Tor # 1996, L.B. System Köln, Deutschland
© Max Regenberg / Galerie Thomas Zander

Cowboys in der Vorstadt

04. August 2015

Max Regenberg zeigt, wie Wunsch und Wirklichkeit aufeinanderstoßen – Kunst 08/15

Wie bekommen wir unsere Realität und unsere Träume in ein einziges Bild? Eine Frage, aus der die Surrealisten eine ganze Kunstrichtung entwickelten. Max Regenberg ist Fotograf und als solcher unterhält er eine pragmatische Beziehung zur Realität. In den späten 70er Jahren entdeckte der in Bremerhaven geborene und in Köln lebende Fotograf, dass die von der Konsumindustrie angekurbelte Wunschproduktion in unseren Köpfen ihre Bilder konkret in der Welt unseres Alltagslebens hinterlässt. Auf großen Plakatwänden reiten die Cowboys mit der Sonne im Rücken auf uns zu. Großes Kino, das in eine Rhapsodie warmer Gelbtöne getaucht ist. Ein Sehnsuchtsbild, gefunden irgendwo in einer verschneiten Industriebrache in Köln.

Max Regenberg findet die Träume auf der Straße. Sind es hier die Cowboys, die einer vermeintlichen Freiheit entgegen reiten, begegnet uns an anderer Stelle die sexy Version des Wunschkinos. Etwa im Bild der zwei Frauenfüße, die uns verraten, dass diese Frau wohl auf einem Bett liegen muss. Für einen kurzen Moment funktionieren diese Bilder immer noch, obwohl wir sie schon so oft gesehen haben, die Fotos der Marlboro-Jungs oder die Frauenfüße der Boss-Werbung. Clever sind sie gemacht, ihre Perfektion ist Teil ihrer Botschaft, darüber hinaus wirken sie aber schnell entleert.

Nicht anders ist es uns mit der Benetton-Werbung ergangen, deren visuelle Schocks perfide unter die Haut gehen sollten und schnell einen international geführten Diskurs über die Ethik der Warenästethik entfachten. In der Ausstellung „Billboards“, die die Galerie Thomas Zander jetzt zeigt, taucht aus dieser Serie das Motiv eines brennenden Autos auf. Ob da noch Menschen drin sitzen, fragt man sich unwillkürlich? Benetton verkaufte damit eine Menge Hemden und Hosen. Regenberg findet die Plakatwand in einem Durchgang neben aufgestapelten Holzlatten, eine Leiter ist sichtbar. Und plötzlich beginnt das Bild zu sprechen, es spricht von den subtilen Botschaften, mit denen uns die Werbung zu ködern versucht. Haben die Firmen doch genau ermittelt, was wir begehren, wie unsere Vorstellungen von Freiheit, Wohlstand und gutem Leben aussehen.

Regenberg findet diese Bilder zwischen rußigen Backsteinmauern, mit Graffitis beschmiert oder an trostlosen Autobahnauffahrten. Aber auch diese Orte bringt er in der Konfrontation mit den Bildern in Schwingung, wir nehmen dieses Niemandsland wieder wahr. Konsumträume prallen auf die hässlichen Notwendigkeiten der urbanen Welt. Nicht selten entfalten diese aufmerksam beobachteten Konstellationen des Zufalls eine große Komik, wenn über einer verlotterten Bahntrasse in Düsseldorf die Frischluft der Bergwelt angepriesen wird. Regenberg verführt auf seine Weise. Denn mit seinem gebrochenen Blick auf die Werbung entfaltet sich wieder der Reiz des Sinnlichen, eine Ahnung von Schönheit taucht auf. Der Fotograf zieht seine Betrachter immer wieder in diesen reflektierenden Dialog mit dem Bild hinein. In Los Angeles findet er sogar ein Motiv, auf dem uns ein Fotomodell verschwörerisch zuzwinkert.

Auch wenn Regenberg von einem Konzept in seinen Fotografien ausgeht, so entwickeln sich die Arbeiten in eine andere Dimension, schütteln den klugen Gedanken ab und entfalten sich mitunter zu malerischen Kompositionen. So gelingen ihm Aufnahmen von der Deutzer Kirmes, die in ihrer farblichen Pracht zu aktuellen Zeugnissen der Pop Art werden. Wobei er sich jedoch nicht in perfekten Lichtspielen verliert, sondern seine Komposition mit den Menschen erdet, die als Passanten die Neon-Spektakel des Rummelplatzes begleiten. Seit vier Jahrzehnten folgt Max Regenberg seinem Konzept mit sensibler Entdeckerlust, darüber sind die Bilder immer poetischer und ihre Aussagen immer aktueller und engagierter geworden, ohne dass sich ihr Schöpfer in einem politischen Gestus erschöpfen müsste.

„Max Regenberg – Billboards“ | bis 22.8. Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 12-18 Uhr | Galerie Thomas Zander, Schönhauser Str. 8 | 0221 934 88 56

Thomas Linden

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Spuren der Selbstfindung
Jo Langenhoff in der Photographischen Sammlung

Malerische Fotografie
„Foto – Kunst – Foto“ im Clemens Sels Museum Neuss – Kunst in NRW 12/24

Lebende Pflanzen in Schwarz-Weiß
Karl Blossfeldt in der Photographischen Sammlung im Mediapark

Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24

Ohne Filter
„Draussensicht“ in der Oase – Kunstwandel 01/24

Ereignisreiche Orte
Simone Nieweg in der Photographischen Sammlung der SK Stiftung im Mediapark – kunst & gut 11/23

Sehen in Lichtgeschwindigkeit
Horst H. Baumann im Museum für Angewandte Kunst – kunst & gut 10/23

Lichterfüllte, funktionale Orte
Lucinda Devlin mit einer Werkschau in der Photographischen Sammlung – kunst & gut 04/23

Formen und Strukturen
Drei Alfred Ehrhardt-Programme im Filmhaus – Film 04/23

Ein Star unter den Fotografierten
Max Ernst auf Fotografien in seinem Museum in Brühl – kunst & gut 03/23

Orte in der geformten Landschaft
Sammlungspräsentation Teil 2 der SK Stiftung Kultur – kunst & gut 10/22

Tradition und ihre Gegenwart vor einigen Jahrzehnten
Raghubir Singh im Fotoraum des Museum Ludwig – kunst & gut 09/22

Kunst.

HINWEIS