Wie bekommen wir unsere Realität und unsere Träume in ein einziges Bild? Eine Frage, aus der die Surrealisten eine ganze Kunstrichtung entwickelten. Max Regenberg ist Fotograf und als solcher unterhält er eine pragmatische Beziehung zur Realität. In den späten 70er Jahren entdeckte der in Bremerhaven geborene und in Köln lebende Fotograf, dass die von der Konsumindustrie angekurbelte Wunschproduktion in unseren Köpfen ihre Bilder konkret in der Welt unseres Alltagslebens hinterlässt. Auf großen Plakatwänden reiten die Cowboys mit der Sonne im Rücken auf uns zu. Großes Kino, das in eine Rhapsodie warmer Gelbtöne getaucht ist. Ein Sehnsuchtsbild, gefunden irgendwo in einer verschneiten Industriebrache in Köln.
Max Regenberg findet die Träume auf der Straße. Sind es hier die Cowboys, die einer vermeintlichen Freiheit entgegen reiten, begegnet uns an anderer Stelle die sexy Version des Wunschkinos. Etwa im Bild der zwei Frauenfüße, die uns verraten, dass diese Frau wohl auf einem Bett liegen muss. Für einen kurzen Moment funktionieren diese Bilder immer noch, obwohl wir sie schon so oft gesehen haben, die Fotos der Marlboro-Jungs oder die Frauenfüße der Boss-Werbung. Clever sind sie gemacht, ihre Perfektion ist Teil ihrer Botschaft, darüber hinaus wirken sie aber schnell entleert.
Nicht anders ist es uns mit der Benetton-Werbung ergangen, deren visuelle Schocks perfide unter die Haut gehen sollten und schnell einen international geführten Diskurs über die Ethik der Warenästethik entfachten. In der Ausstellung „Billboards“, die die Galerie Thomas Zander jetzt zeigt, taucht aus dieser Serie das Motiv eines brennenden Autos auf. Ob da noch Menschen drin sitzen, fragt man sich unwillkürlich? Benetton verkaufte damit eine Menge Hemden und Hosen. Regenberg findet die Plakatwand in einem Durchgang neben aufgestapelten Holzlatten, eine Leiter ist sichtbar. Und plötzlich beginnt das Bild zu sprechen, es spricht von den subtilen Botschaften, mit denen uns die Werbung zu ködern versucht. Haben die Firmen doch genau ermittelt, was wir begehren, wie unsere Vorstellungen von Freiheit, Wohlstand und gutem Leben aussehen.
Regenberg findet diese Bilder zwischen rußigen Backsteinmauern, mit Graffitis beschmiert oder an trostlosen Autobahnauffahrten. Aber auch diese Orte bringt er in der Konfrontation mit den Bildern in Schwingung, wir nehmen dieses Niemandsland wieder wahr. Konsumträume prallen auf die hässlichen Notwendigkeiten der urbanen Welt. Nicht selten entfalten diese aufmerksam beobachteten Konstellationen des Zufalls eine große Komik, wenn über einer verlotterten Bahntrasse in Düsseldorf die Frischluft der Bergwelt angepriesen wird. Regenberg verführt auf seine Weise. Denn mit seinem gebrochenen Blick auf die Werbung entfaltet sich wieder der Reiz des Sinnlichen, eine Ahnung von Schönheit taucht auf. Der Fotograf zieht seine Betrachter immer wieder in diesen reflektierenden Dialog mit dem Bild hinein. In Los Angeles findet er sogar ein Motiv, auf dem uns ein Fotomodell verschwörerisch zuzwinkert.
Auch wenn Regenberg von einem Konzept in seinen Fotografien ausgeht, so entwickeln sich die Arbeiten in eine andere Dimension, schütteln den klugen Gedanken ab und entfalten sich mitunter zu malerischen Kompositionen. So gelingen ihm Aufnahmen von der Deutzer Kirmes, die in ihrer farblichen Pracht zu aktuellen Zeugnissen der Pop Art werden. Wobei er sich jedoch nicht in perfekten Lichtspielen verliert, sondern seine Komposition mit den Menschen erdet, die als Passanten die Neon-Spektakel des Rummelplatzes begleiten. Seit vier Jahrzehnten folgt Max Regenberg seinem Konzept mit sensibler Entdeckerlust, darüber sind die Bilder immer poetischer und ihre Aussagen immer aktueller und engagierter geworden, ohne dass sich ihr Schöpfer in einem politischen Gestus erschöpfen müsste.
„Max Regenberg – Billboards“ | bis 22.8. Di-Fr 11-18 Uhr, Sa 12-18 Uhr | Galerie Thomas Zander, Schönhauser Str. 8 | 0221 934 88 56
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