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Das Land gehört den Dingen

28. Juni 2011

Christopher Muller im Forum für Fotografie - Kunst in Köln 07/11

Bei seiner Fotoarbeit „Practical Landscape“ geht Christopher Muller innerhalb seines Werkes besonders weit – was den surrealen Ton und die Verschiedenheit der Dinge betrifft, die hier als Einzelne positioniert sind und in Beziehung zueinander treten. Auf dem genau gewählten Ausschnitt ist die Teilansicht eines Gebäudes in Verbindung mit einer Restfläche mit Gewächsen und einem Baum zu sehen. Von diesem führt eine Schnur, über der ein Tuch hängt, aus dem Bild hinaus. Auf der anderen Seite ragt auf gleicher Höhe der Griff eines Regenschirms hinein. Die Darstellung ist durch die architektonische Struktur und den Bordstein gegliedert; das Geschehen tritt karg, verhalten und wenig farbig auf. Festgehalten ist eine merkwürdig erzählerische Situation an einem ungeklärten Ort, dessen Stimmung aus der Abwesenheit von Menschen rührt. Das Bild, das Christopher Muller in der digitalen Koppelung verschiedener fotografischer Aufnahmen geschaffen hat, erhält seinen Reiz aus der Gegensätzlichkeit von wilder Natur und exakt organisierter Zivilisation. Dazu gehören der blaue Kunststoffstuhl und die beiden braunen Rampen. Das Spiel der Beziehungen und Abstoßungen beginnt.

„Practical Landscape“ ist über das eigene Potential hinaus aber auch deshalb im Hinblick auf Christopher Muller interessant, weil sich hier auf sinnige Weise Motive und Aspekte finden, die bereits in den vorausgehenden und weiter zurückliegenden Phasen seines Werkes vorkommen. Da sind die künstlichen Gegenstände aus unserem funktionalen Alltag, welche an die linear nebeneinander platzierten Gerätschaften seiner frühen Farbfotografien erinnern: Dort verhielten sie sich als vorwiegend malerisch verstandene Anordnungen, die auf die Eigenheiten und die Unterschiede der einzelnen Dinge aufmerksam machten. In einem nächsten Schritt hat dies Christopher Muller zu fotografischen Stillleben geführt, bei denen alltägliche Dinge in Originalgröße auf einer Fläche stehen. „Es sind alles unscheinbare, aber aus unserem täglichen Leben nicht wegzudenkende Zeugen unserer Zeit“, hat Christopher Muller gesagt. „Ich zeige eine Vielfältigkeit, die ich als pluralistische Dingwelt bezeichnen möchte.“ Die Auflagefläche setzt am vorderen Bildrand ein, häufig verläuft sie schräg; aus der Anordnung der Gegenstände ergeben sich Verdichtungen und Leerstellen. Zwischen Zufall und genauer Komposition gehen die Dinge neue Beziehungen ein, entfalten ein Eigenleben jenseits ihres Gebrauchs und ihrer vom Design bestimmten Gestalt und schärfen den Blick auch dafür.

Ähnlich spielt die Anordnung der Gegenstände und die Organisation der Bild durchquerenden Linien bei „Practical Landscape“ eine Rolle. Und schließlich sind da die subtilen Hinweise auf den Menschen und auf dessen emotionale Gestimmtheit – etwa der seltsame Regenschirm oder das Handtuch über der Leine –, die auch bei anderen Bildern vorkommen. So realisiert Muller seit etlichen Jahren immer wieder auch Fotoarbeiten, auf denen ganz direkt Menschen zu sehen sind.

Ordnung im Bild

Christopher Muller wurde 1966 in Stade geboren. Er ist in London aufgewachsen, wo er an der Kunstakademie studiert hat. Das Studium setzt er 1991-93 in Düsseldorf fort. Seitdem lebt er in der Landeshauptstadt. 2007-2009 hatte er eine Professur für künstlerische Fotografie in Leipzig inne, seit 2009 lehrt er an der Folkwang Universität der Künste in Essen. Dort hat er vor wenigen Wochen die „Open Studios“ des Studienganges Fotografie und des Studienschwerpunktes Illustration mit eingerichtet.

Im Kölner Forum für Fotografie an der Schönhauser Straße werden nun seine neueren Bilder mit den Stillleben und der Landschaften vorgestellt; gezeigt werden aber auch die kleinformatigen Collagen, die sein Werk schon seit langem begleiten und in scharfen Schnitten unterschiedliches Abbildungsmaterial miteinander konfrontieren. Sie verweisen ein weiteres Mal auf den Blick und auf die Kombinatorik von Christopher Muller: die Verbindung von logischer Konsequenz und überraschender Wendung.

„Christopher Muller: Im, am, um und vor dem Bild“ I Bis 24.7. I Forum für Fotografie, Schönhauser Straße 8 I 0221 340 18 30

THOMAS HIRSCH

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