choices: Frau Möhring, was versteht man unter Animal Studies?
Maren Möhring: Animal Studies befassen sich als neue interdisziplinäre Forschungsrichtung mit der Bedeutung von Tieren und der Tier-Mensch-Beziehung. Im Fokus stehen Prozesse wie die Vermenschlichung von Tieren, aber auch die Grenzen des Wissens über andere Spezies und eine Analyse gesellschaftlicher Machtverhältnisse. Im Gegensatz zum angelsächsischen Raum sind die Studies hierzulande noch nicht so etabliert.
Es geht also um die Bedeutung der Tiere für unsere Kultur?
Was ein Mensch ist, definiert sich nicht zuletzt über seine Abgrenzung vom Tier. Als Historikerin befasse ich mich vor allem mit den praktischen und politischen Folgen der Grenzziehung zwischen Mensch und Tier.
Zum Beispiel?
Im Zuge der Ausdifferenzierung moderner Gesellschaften wurden auch Tiere auf bestimmte Funktionen und Räume festgelegt. Das Nutzvieh verschwand aus Wohnhaus und Stadt, wurde im separaten Stall untergebracht und für die Öffentlichkeit unsichtbar, in zentralen Schlachthöfen getötet. Andere Tiere – allen voran Katzen und Hunde – zogen als Familienmitglieder in die städtischen Haushalte ein. Die so genannten Wildtiere wurden dem Außen der menschlichen Kultur, der Natur, zugeordnet und fungieren damit als wichtige Spiegel- und Gegenbilder. Sie erscheinen als Bedrohung, die es zu bändigen gilt, oder als idealisierter Gegenentwurf zur vermeintlich degenerierten modernen Zivilisation. Die Begeisterung der Nationalsozialisten für den Wolf gehört in die zweite Kategorie.
Tiere stehen im Film gerne für Horror.
Einige Tiere sind als „Ungeziefer“ im Grunde vogelfrei. In Horrorfilmen, die Bienenschwärme oder Ameisenhorden als zentrale Protagonisten wählen, äußern sich Ängste vor der Unberechenbarkeit gerade dieser kleinen Wesen, die zusammen eine enorme destruktive Macht entfalten können. Diskurse über die (moderne) Masse haben so in bestimmten Tieren eine wichtige Projektionsfläche gefunden.
Und das Essen von Fleisch?
Erst die industrielle Produktion hat es dem Gros der Bevölkerung ermöglicht, häufig Fleisch zu essen. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis heute hat sich der Fleischkonsum verdreifacht, wobei das Fleischessen lange Zeit ein wichtiges Statussymbol war, sowohl was den sozialen Status wie das Geschlecht betrifft. Kulturhistorisch ist der Fleischkonsum zudem Gegenstand zahlreicher (religiöser) Speisevorschriften und damit erneut Abbild einer Gesellschaft und ihrer Normen.
Die Diskussion um vegetarische Ernährung hat zugenommen – ein Signal für einen Wertewandel?
Es ist auffällig, dass immer mehr Imbisse vegetarische Speisen anbieten und viele Kochzeitschriften feste Rubriken mit vegetarischen Rezepten eingeführt haben. Vegetarismus gilt nicht mehr als sektiererische Spinnerei. Dabei wird das Essen von Salat immer noch als tendenziell weibliche Praxis betrachtet.
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