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Menschenaffen sind uns genetisch sehr ähnlich – nur lange nicht so grausam
Foto: Arne Marenda

Der bequeme Feind

25. Juni 2015

Das Max-Planck-Institut gibt Forschung an Primaten auf – THEMA 07/15 VEGANES LEBEN

Viele Veganer lehnen nicht nur tierische Erzeugnisse ab, sondern auch Produkte, in deren Herstellung Tierversuche eine Rolle spielen. Gruppen wie die „SOKO Tierschutz“ schießen bei ihrem Protest gegen Tierversuche aber klar übers Ziel hinaus. Alles begann mit einem fetten Coup der Gruppe im vergangenen September. Ein eingeschleuster Tierpfleger hatte im Max-Planck-Institut (MPI) Tübingen verdeckt Aufnahmen von Tierversuchen gemacht. Die schockierenden Bilder von gequälten Affen wurden von Stern TV ausgestrahlt, führten zu Protesten von rund 1.200 Menschen in Tübingen und schließlich vor wenigen Wochen zur Ankündigung des MPI, keine Versuche an Affen mehr vorzunehmen. Die SOKO Tierschutz platzte fast vor Stolz, hackte blindlings eine Meldung ins Netz: „Es ist uns [sic!] bleibt ein großer und in der Geschichte der deutschen Tierversuchsgegner einzigartiger Erfolg. Wir haben das zusammen erreicht [sic!] und es ist eine große Niederlage für die Vivisektionsindustrie.“ Einziger Wermutstropfen für die Tierschützer: Das MPI kündigte an, die bereits begonnenen Versuche zu Ende zu führen, wogegen am 27. Juni erneut zu einer Demo in Tübingen aufgerufen wurde.

 

Die Bilder der SOKO Tierschutz sind in der Tat schockierend, und führen sicherlich bei jedem Menschen mit einem Funken Empathie zu Empörung. Allerdings bleiben Genese und Deutung der Aufnahmen fragwürdig, der sensationslüsterne Schnitt tut sein Übriges. Das reichte der Staatsanwaltschaft aber als Ausgangspunkt von Ermittlungen wegen Tierquälerei aus. Nur die Bilder sagen nichts darüber aus, worum es dem MPI bei seiner Forschung geht: Jedenfalls nicht um die Verträglichkeit von Kosmetikprodukten, bei denen Tierversuche nicht notwendig sind und es angesichts ihres Luxuscharakters auch nie waren. Biologische Grundlagenforschung ist in diesem Fall das Stichwort, die für die Entwicklung von Medikamenten und Therapien besonders für Epilepsie-, Alzheimer-, Demenz- und Parkinsonkranke benötigt wird. Für diese Art der Forschung sind die Gehirne von Nagern ungeeignet, weil sie die Teile des Großhirns, die an solchen Bewusstseinsprozessen beteiligt sind, nicht haben; darum also Affen als Versuchsobjekte.

In seiner Meldung lässt die SOKO Tierschutz allerdings unter den Tisch fallen, dass nicht die Demos und Mahnwachen das MPI und ihren Direktor Nikos Logothetis ihre Forschersegel streichen ließen, sondern die tägliche Hatz, der seine Mitarbeiter und er sich ausgesetzt sahen. Sie wurden öffentlich als „Mörder“ angefeindet, mit dem Tod bedroht und ihre Kinder wurden in der Schule geächtet. Valentin Braitberger, der 2011 verstorbene Hirnforscher und Vorgänger von Logothetis, hatte seine Haustüre einst dem Tübinger Stadtmuseum samt Graffiti vermacht: „Herr, vergib ihm nicht, denn er weiß, was er tut – Tiermörder“, war von Tierrechtlern darauf geschmiert worden. Dass hier ausgerechnet jener Herrgott angerufen wird, dem „Tiermörder“ nicht zu vergeben, auf den die fundamentale und asymmetrische Unterscheidung zwischen Mensch und Tier zurückgeht, verdeutlicht nur die armselige intellektuelle Verfassung einiger Tierversuchsgegner und diskreditiert solche, die sich nicht für Einzelfälle, sondern für bis in den Konsumentenalltag hineinreichenden Tierschutz engagieren.

Der Slogan macht aber vor allem jene Relativierung menschlichen und tierischen Leids augenfällig, die durch den australischen Denker Peter Singer philosophische Weihen erhalten hat. Singers argumentative Strategie, die definitorische Grenze zwischen Menschen und Tieren aufzuheben, mündet in einer Unterscheidung zwischen Personen und Wesen. Um im Singerschen Sinn eine Person zu sein, muss man rational handeln können, über ein Bewusstsein seiner selbst in der Zeit verfügen und kommunizieren bzw. Beziehungen knüpfen können. Auch zukunftsbezogene Präferenzen sind ein wichtiges Kriterium. Schimpansen, Schweine und Gorillas sind dann bewusstseinsmäßig und kommuni­kativ einfach weiter als Komatöse, Demenzkranke und auch Säuglinge.

In Tübingen wurde nicht mehr und nicht weniger als Forschungsverzicht erreicht. An den wirklichen Missständen in der Massentierhaltung ändert ein symbolischer Sieg gegen ein Forschungsinstitut, das regelmäßig unangekündigt kontrolliert wird und jedes Experiment ethisch rechtfertigen muss, nichts. Es ist ein Pyrrhussieg, den die Demonstranten errungen haben. Auch deshalb, weil die biologische Grundlagenforschung ausweichen wird auf andere Standorte in Ländern, wo geringere Tierschutzstandards gelten könnten. Der revolutionäre Tierschutz, dem sich immer mehr Tierrechtler, -befreier und auch Veganer verschreiben, stellt sich so als eine Wissenschaftsfeindlichkeit dar, die an Ignoranz kaum zu überbieten ist. Keine Frage, Leiden müssen vermieden werden. Aber bei der Kreuzzugsstimmung gegen Forscher dringt diese Forderung nicht mehr durch.

Aktiv im Thema:

www.tierversuchsgegner.de/
www.aerzte-gegen-tierversuche.de/de/
www.ti-koeln.de/
www.animalequality.de/

Lesen Sie weitere Artikel zum Thema auch unter trailer-ruhr.de/thema und engels-kultur.de/thema

Bernhard Krebs

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