Nun wird sich die Bundesregierung also „Mühe geben“. Elektromobilität ist der gern postulierte Zukunftsmarkt der deutschen Automobilhersteller – und auf diesem mit einiger Signalwirkung vorn mitzufahren das erklärte Ziel von Kanzlerin und Wirtschaftsminister. Bloß scheuen sich beide, konkrete Maßnahmen zur Verkaufsförderung einzuleiten. Merkels „Mühe geben“ bedeutet lediglich, man wolle die entsprechenden Instrumente der anderen Länder studieren und möglichst in diesem Jahr eine Antwort formulieren. So hat man’s Mitte Juni erklärt auf der Berliner Elektromobilitäts-Konferenz.
Kein Wunder also, wenn das regierungsamtliche „Abwarten, Beobachten, Antworten“ auch den Autohändler vor Ort kaum zu übermäßiger Aktivität verleitet, seine heute schon vorhandenen Elektroantriebs-Modelle mal endlich in den Markt zu drücken. Eine hervorragende Gelegenheit dafür wären Aktionswochenenden im sogenannten „Auto-Frühling“: entweder auf dem Betriebsgelände oder – noch besser – im öffentlichen Raum. Dort, wo sich die Leute sowieso tummeln. choices hat sich zwei solcher Veranstaltungen angesehen: im Ruhrgebiet und in Köln-Porz. Und stieß auf Lethargie und Ideenlosigkeit.
Zugegeben: Die Porzer Fußgängerzone ist nicht die größte Einkaufsmeile der Stadt. S-förmig winden sich die Josef- und Hermannstraße in Richtung Bahnhof. Immerhin Platz genug für fünf Autohändler, dort das Beste und Interessanteste aus den von ihnen vertretenen acht Marken vorzustellen. Knapp 60 Neufahrzeuge haben sie denn auch mitgebracht – darunter einen Elektro-Pkw und drei Hybride. Die Mercedes-Niederlassung protzt mit tiefliegenden Sport-Karossen, aber vom elektrifizierten Smart oder der lautlosen B-Klasse ist nichts zu sehen. Der Fiat-Händler verweist auf den misslichen Umstand, gar keinen E-Pkw im Programm zu haben. Stimmt, aber der Hochdachkombi Doblo mit Akkupack wäre für Kleingewerbetreibende vielleicht auch interessant gewesen. Beim Citroen-Stand fehlt der C-Zero. Die zugkräftigen heimischen Marken BMW, Opel, Ford und VW glänzen mit völliger Abwesenheit. Dabei hätten sie mit E-up! und Strom-Golf, Elektro-Focus oder Ampera einiges zu zeigen gehabt – von i3 und i8 gar nicht erst zu reden. „Die kommen schon seit Jahren nicht mehr“, grummelt einer der Aussteller.
Das ähnelt stark der Situation, die wir kurz zuvor in Gelsenkirchen vorfanden. Dort waren insgesamt 95 neue Autos aufgebaut, unter ihnen vier vollwertige Stromer und drei Hybride. Auch hier hielten einige Markenhändler ihren Auftritt für überflüssig. Der VW-Platzhalter stellte zwar zwölf verschiedene Typen zur Schau – sparte sich aber die Stromer-Show. „Wie kann das sein“, fragt man den Verkaufsberater, worauf der lapidar feststellt, dass es sich um eine gute Frage handele. Am Ford-Pavillon hieß die verschämte Entschuldigung, dass „das Interesse der Kundschaft nicht so riesig sei“. Soll wohl so sein, denkt man sich, wenn Elektromobile, also: die Zukunft der Mobilität, quasi nur unter der Ladentheke feilgehalten werden. Letzte Frage: „Kann es sein, dass Gelsenkirchen wie Porz einfach nur schlechte Orte für die richtige Idee sind?“ Nee, sagt der Mercedes-Mann, in der Kölner Innenstadt sähe das auch nicht anders aus.
Auf der Suche nach den wahren Motiven für die vorherrschende Lustlosigkeit stößt man schnell auf ein Bündel – manchmal sogar triftiger – Gründe. Ohne Anschub durch politisch gewollte Kaufanreize wird sich kein Boom wie etwa in Norwegen auslösen lassen, wo jetzt jede fünfte Neuzulassung einen Elektromotor hat. „Die Regierung unterstützt das offiziell“, sagt der Citroen-Repräsentant, „aber dann wird doch die Handbremse angezogen. Denn der Staat würde eine Menge Mineralölsteuer verlieren, wenn die Leute auf Stromer umsteigen.“ Richtig ist aber auch, dass Autokonzerne ihre Strommobile zwar für das Senken der CO2-Bilanz im Flottenmix brauchen, doch mit PS-starken Limousinen und SUV noch jahrelang deutlich besser verdienen. Und schließlich müssen die Händler einige Vorleistungen stemmen: Es gilt, neben dem Platz im Showroom auch neue Werkstatt-Kapazitäten und geschultes Personal vorzufinanzieren. So kommt es, dass der BMW-Händler Ahag lediglich an einem von neun Standorten zwischen Witten und Gronau seine i3- und i8-Modelle zeigt.
Wären die Anschaffungskosten der Haupthinderungsgrund, dürfte Tesla eigentlich kein einziges Fahrzeug verkaufen. Ohnehin verliert dieses Argument gerade gewaltig an Kraft: Mitsubishis „Electric Vehicle“ (früher „iMieV“) kostet neu längst nicht mehr die früheren 29.500 Euro, wird als Vorführwagen mit 1500 Kilometern sogar schon für 18.890 Euro angeboten. „Solche Suche können Sie sich bei uns sparen“, sagt schließlich ein Renault-Händler: „Den Zoe kann ich Ihnen neu für 17.000 Euro plus Batterieleasing hinstellen.“ Zusätzlich gibt es rund 600 Euro Steuerersparnis, manchmal auch Förderung vom Stromversorger (in Gelsenkirchen aktuell 500 Euro).
Summasummarum: Eigentlich könnten Elektroautos, so wie die längst zum Schlager aufgestiegenen Elektrofahrräder, auch ohne die zögerliche Kanzlerin einen guten Sprung nach vorn machen. Es würde aber bedingen, dass man endlich auch offensiv darüber redet. Nicht bloß verschämt hinter der Ladentheke.
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