Indianer! Während John Wayne noch gerade seine Winchester hochreißen kann, kommt die bunt ausstaffierte Schar wilder Unholde auch schon über die armen Siedler, die ja nur etwas Land und die Schätze der Region wollten. Hollywood prägte das Bild der amerikanischen Einwohner auch, um ein irgendwie geartetes Schuldbewusstsein erst gar nicht aufkommen zu lassen. In Deutschland waren es eher die „edlen“ Wilden, die Jungenherzen höher schlagen ließ. Ein Schriftsteller namens Karl May verwässerte in seinen Roman den Blick auf die Wirklichkeit der erst von Kolonialherren und dann von Einwanderern fast ausgerotteten roten Nationen. Apatschen, Komantschen, Kiowas, alle mit bunten Federn und super Lederklamotten ausstaffiert, die kannte und kennt man natürlich, aber Irokesen? Sind das nicht die Punker aus den wilden 1980ern?
Eine ziemlich ausgefeilte und didaktisch sehr umfangreich verarbeitete Ausstellung in der Bundeskunsthalle in Bonn versucht, diese Fragen still und auch schön zu beantworten. „Auf den Spuren der Irokesen“ heißt sie, und der Titel ist schlichtweg Programm. Der Besucher muss selbst den Fährten folgen, die die Exponate legen, er muss spüren nach den Geschichten, die sich hinter den Keulen, Pfeifenköpfen und Kultgegenständen verbergen. Am Ende wird er belohnt mit der Erkenntnis, dass der Geist der Haudenosaunee („Leute des Langhauses“), wie sie sich selbst nennen, immer noch hoch über Nordamerika schwebt, wenn auch anders, als es sich die indianischen Protagonisten des weltweiten circensischen Schaugeschäftes im frühen 20. Jahrhundert je hätten erahnen können.
Wer waren die sechs Irokesenstämme (Cayuga, Mohawk, Oneida, Onondaga, Seneca und Tuscarora) also, die locker verteilt ein zusammenhängendes Gebiet rund um die großen nordamerikanischen Seen und im südlichen Kanada bewohnten und einer gemeinsamen Sprachfamilie angehörten? Die „größte Gesamtschau über die Irokesen, die es je gegeben hat", so Kuratorin Sylvia S. Kasprycki, zeigt ihre kulturellen Errungenschaften, die in Diplomatie und Gleichberechtigung der Geschlechter liegen, aber auch im Kunsthandwerk und in der Waffenkunde. Das zeigt gleich beim Betreten der Ausstellung die lebensgroße Gipsplastik eines Irokesen (Vittorio Güttner, 1928), deren Reproduktion aus dem vergangenen Jahr aus dem Karl May Museum in Radebeul stammt. Ton in Ton bemalt ist sein Körper, bekleidet mit Lendenschurz und Kugelkopfkeule steht er da und hält einen Wampumgürtel aus Muschelschalenperlen in der Hand. Viel Kriegerisches ist da nicht zu entdecken; schon als die Kolonialmächte Anfang des 17. Jahrhunderts das Innere Nordamerikas okkupierten, fanden sie eher Völker, die in Dörfern aus rindengedeckten Langhäusern wohnten, vom Ackerbau und der Jagd lebten, und eigentlich eine riesige Großfamilie waren. Eins dieser Häuser, die auch die jeweilige Stammeszugehörigkeit symbolisierten und für Rituale benutzt wurden, ist in Bonn auf dem Museumsplatz nachgebaut und kann besichtigt werden.
Fehlt noch der zeitgenössische Geist der Irokesen. Zahlreiche Mohawk sind bis heute als Facharbeiter im Hochbau tätig, weil sie als schwindelfrei gelten. Viele der Wolkenkratzer, die heute das Bild nordamerikanischer Metropolen prägen, wären ohne diese „Wilden“ gar nicht so schnell entstanden.
„Auf den Spuren der Irokesen“ I bis 4. August I Bundeskunsthalle Bonn I 0228 917 12 00
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