Am Ende sitzen die Menschen wieder in der Höhle: Die KI hat die Herrschaft über die Erde übernommen; doch weil die humanoiden User völlig verantwortungslos mit sozialen Plattformen umgehen, macht die Technik kurzen Prozess. 180 Sekunden bis zum totalen Shutdown. Neun User:innen sprechen hastig letzte Nachrichten. Allerletzte Bilder flimmern über eine Wand, vor dem die Gruppe immer enger zusammenrückt – bis Platons berühmtes Höhlengleichnis-Bild in der Dunkelheit verdämmert. Damit endet die düstere Dystopie „Welcome to digital Paradise“, die das Ensemble2030 zusammen mit Kölner Bürger:innen erarbeitet hat.
Verpackt ist der Abend in die Präsentation einer neuen digitalen Plattform namens Paradise, die mit Marketingsprech die totale Datenpreisgabe als Rundum-Sorglos-Paket verkauft. Daran schließen sich revueartig Szenen der umfassenden digitalen Ausbeutung: Da wird die individuelle Nutzung der Accounts durch die Performer:innen aufgezählt, ein digitaler Burnout vollzieht sich vor einem scrollenden Laufband von Posts, KI-basierte Psychotherapie gibt es quasi kostenlos dazu, ein Beauty-Workout wird bis zur völligen Gesichtsverzerrung getrieben. Als zentrales Hilfsmittel nutzen die Perfomer:innen Ring-Leuchten, die zur Selbsterleuchtung, als Seismograph oder sogar als Fessel eingesetzt werden.
Der Abend (Regie: Christoph Steć, Kamala Dubrovnik, Arwen Schünke, Yana Novotorova) hantiert mit durchaus bekanntem kritischem Material; ungewohnt ist eher, dass die gesprochenen Texte untrennbar Marketing-Jargon mit kritischen Einlassungen und Selbstverwirklichungs-Floskeln mischen. Die Grenzen zwischen den drei Ebenen verwischen bis zur Unkenntlichkeit, darin liegt aller dystopischen Vertrautheit zum Trotz das Surplus des Abends.
Ensemble 2030: Welcome to digital Paradise | weitere Vorstellungen im Oktober/November | Theater der Keller | 0221 31 80 59
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