Noch immer nicht oft genug zitiert: Gertrude Steins „A Rose is a rose is a rose is a rose”.Dabei ist eine Rose nicht notwendigerweise immer eine Rose. Ihr Wesen scheint unergründlich, ihre Wirkung basiert auf Geruch, Farbe und Oberfläche, doch was die Pflanze im Inneren zusammenhält, bleibt ihr Geheimnis.
Überall sind wir von Dingen umgeben, die eine derartige Mystifizierung teilen. Selbst Gegenstände der täglichen Verrichtung, Arbeitsgeräte oder Spielzeug besitzen diese innere Qualität, werden mit Bedeutung geladen, ohne erkennbaren Grund oder Notwenigkeit. Die Ausstellung „Vom Eigensinn der Dinge“ im Düsseldorfer KAI 10 versucht künstlerisch, diese Kriterien zu ergründen. Sechs internationale Künstlerinnen und Künstler wollen ein anderes Verständnis von den Dingen fördern. In Videos, Installationen, Skulpturen und Fotografien wird das Verständnis der materiellen Welt hinterfragt. In der privaten, nicht-kommerziellen Institution zur Förderung zeitgenössischer Kunst stehen Wäscheständer, Tennisbälle und ein Motorroller, deren Funktionalität für künstlerische (Ab-)Wege und Umleitungen genutzt wird.
Der erste Kontakt mit der Ausstellung im Düsseldorfer Hafengelände hat auch etwas mit Handarbeit zu tun. Der koreanische Künstler Haegue Yang hat faltbare Wäscheständer (Non-Indépliables, 2006-2010) umhäkelt und umnäht. Die „feinen“ Materialien hemmen nicht nur die Apparatur der gewöhnlichen Gegenstände, sie verändern auch frappant deren Oberfläche, was dazu führt, dass sie ihrer Funktionalität beraubt in ganz neue autonome Kontexte vordringen können. Auch im an der Wand befestigten Digitaldruck „Multiple Mourning Room“ (2012) ist die natürliche Ordnung aufgehoben, die Stadt steht auf dem Kopf, und die schwebenden Gegenstände machen, was sie wollen.
Das machen auch die Skulpturen von Bettina Buck. Die Kölnerin, die in London und Berlin lebt, lässt ihre Arbeiten schlichtweg allein, sie müssen in der Welt der Gravitation und Umwelteinflüsse bestehen, doch die Zeit nagt unaufhörlich an ihnen. So sieht man den Badezimmerfliesen, die zu kleinen Wänden geklebt wurden (3 Upright, zweiter zyklus, 2010), diesen Prozess des Verfalls bereits an. Den überdimensionierten Tennisbällen (Balls, 2010) wurde gleich die Dimension des sie umgebenden Raumes genommen, sie hängen in kleinen, ebenfalls gefliesten Kästchen. Weder die Situation noch die Größenverhältnisse stimmen, durch ihre hohe Hängung haben sie sogar den Bezug zu ihrer Objekthaftigkeit verloren.
Das haben die „ollen“ Jeans auf Spiegelstelen auch. Monika Stricker. Bei der Düsseldorferin muss man schon das Hinweisschild („The Incredible Hulk 2008, Bruce Banner, 2013) zu Rate ziehen, um die Hose als Requisite der US-amerikanischen Filmindustrie zu identifizieren. Aber auch der industriell hergestellte synthetische Schweiß, den sie auf Magazinseiten und Spiegel aufträgt, ist – weil körperlos – nur im theoretischen Modell der Erklärung nachvollziehbar, dessen Beschreibung auch die Videos der Schwedin Sofia Hultén und die Arbeiten von Altmeister Hans-Peter Feldmann unterstützen.
Ganz anders der „Petrol Cargo“ (2012) von Romuald Hazoumé. Der Afrikaner aus Benin dokumentiert fotografisch den heimischen illegalen Benzinhandel mit Nigeria und die dafür benutzten Vehikel. Eins davon steht als Installation im Ausstellungsraum, ein skurril umgebautes Moped, das die Glaskanister wie ein Flugkörper als Tragfläche benutzt.
„Vom Eigensinn der Dinge“ I bis 6. Juli I Kai10, Düsseldorf I 0211 99 43 41 30
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