Suchen kann man nur etwas, was versteckt ist. Wie sucht man etwas, das allgegenwärtig ist? Diesen Spagat versucht eine Ausstellung der GEDOK (die größte und traditionsreichste interdisziplinäre Künstlerinnenorganisation in Deutschland) im Bonner Frauenmuseum. Hier jagen 70 Künstlerinnen dem Mythos „Sophia“ nach und der Weisheit des Leibes in einer gnadenlos patriarchalischen Welt. Wer ist also Sophia, diese übermenschliche, alttestamentarische Gestalt, die das ganzheitliche Weltengefüge zusammenhält, ob ihrer Gefahr für monotheistische Zwangsjacken aber schnell zur Göttin der Weisheit reduziert wurde? Sie ist anwesend im Frauenmuseum, sie durchzieht die Kunstwerke, die Besucher, die weiß getünchten Betonmauern, die Petersilie auf dem Vordach, die Cafeteria. Suchen muss man sie eigentlich nur in den durchkapitalisierten Gesellschaften des Planeten. Finden wird man sie nicht mehr.
Auf einem weißen Sockel steht ein Schminkkoffer, den ein Kabel mit der Steckdose verbindet. In seinem Inneren läuft ein Video. Eine Frau sitzt vor einem Spiegel und schneidet ihre Haare. Opfert hier Lilith ihre Macht? Symbolisiert dieser freiwillige Akt der Selbstaufgabe Sophias Göttinnenstatus, so geht es eine Nische weiter bereits um die postheroische Gesellschaft. Ein weiteres Video. Hier geht es um die Frage nach dem persönlichen Einsatz des eigenen Lebens für irgendetwas. Passanten haben Mühe das zu beantworten, denn die Ideale sind zu Recht rar geworden, die Floskeln dafür übermächtig. Und so wandert eine nackte Performerin in Zwischenschnitten durch die Nacht, kaum wahrgenommen, privat und körperlich präsent. Die Frage kann nicht beantwortet werden.
Auf zwei Etagen breitet sich die Kunst im Frauenmuseum aus, einer Institution, die weltweit eine der wenigen reinen Frauenkunst-Raritäten ist, die als politisches Statement gegen das Patriarchat in den Museen gegründet wurde und nun 30 Jahre später immer noch notwendig scheint. Doch die Weisheit ist weiter auf dem Rückzug. „Uns droht eine 66-prozentige Kürzung“ sagt Marianne Pitzen, die Direktorin. Nach Monaten der Verhandlung sei die immer noch nicht vom Tisch. Der neue Bonner Kulturdezernent Martin Schumacher plädiere für Fröhlichkeit statt Depression. Die Direktorin kann das nachvollziehen und so stellt man Antrag auf Antrag beim Land NRW und zehrt von der Hoffnung auf den Landschaftsverband Rhein (LVR). Alles hat eben seine Zeit und damit sind wir wieder bei den Kunstobjekten über die verschwundene Sophia. Den gleichnamigen Titel ziert eine interessante Fotoarbeit über das Vergehen einer Paprika und eines sexualisierten Pfirsichs im ersten Stock. Aber auch Wachs, Tüll, Butterbrottüten und eine rheinische Zeitung, die sich christlichen Inhalten verpflichtet fühlt, werden verarbeitet und göttliches Wissen darin vermutet. Außergewöhnlich, wenn auch bei 70 Künstlerinnen nicht überraschend, ist die Vielfalt der visuellen Mittel und der unterschiedlichen Präsenz mit denen sich auf die Suche gemacht wird. Da kann es schon mal sein, dass eine Dame untergeht wie bei „Floating wisdom“. Sie ist alt, mit ergrautem Haar und bekleidet. Sie liegt schwebend im Wasser, geht also nicht unter, verbleibt ruhend im weißen Nichts. Irgendwo dort würde sich das Wesen Sophia auch aufhalten, wenn es gefunden werden wollte. Gehen wir alle auf die schwierige Suche nach der Allgegenwärtigen.
„Wo ist Sophia? Die Weisheit des Leibes“ I Bis 21. August 2011
Frauenmuseum Bonn I 0228 69 13 44
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