Der Glühwein kann warten – im Kölner Kunstraum Grevy wärmen und berauschen rund 100 Exponate von elf Künstler:innen. Das Spektrum reicht dabei von stillfließenden abstrakten Malereien (Maria Pich), dem Licht entgegenstreckenden Olivenholzskulpturen (Eckhard Zeglin) über in den Raum greifende Großobjekte (Nouria Sabbagh), feinsinnig arrangierte Collagen (Sylvia Dölz) bis hin zu grazilen Papierarbeiten (Ursula Traschütz). Dazu fernwehauslösende Plexiglasbild-Miniaturen (Steffen Schmoll) sowie provokante Fotopaintings mit sakral-sadomasochistischen Bezügen aus dem Füllhorn der römisch-katholischen Liturgie (Norberto Luis Romero). Motive aus den Bereichen „Anarcho-Comic“ (Flo Eßer), „Psychodelia“ (Frank Schaal) und „Flirrender Surrealismus“ (Nineta Verbica) ergänzen den Farb-, Klang- und Bewegungsschub der aktuellen Werkschau hin zur adventsfreien jedoch nicht minder beseelten Zone. Keine Frage – in diesem unscheinbaren Hinterhof der Südstadt ist man hinsichtlich des körperlichen wie geistigen Wohlergehens so sicher wie in einem luziden Traum: Alles kann passieren, aber niemand trägt Schäden davon.
Mehr Licht will mehr Dunkelheit
Unabhängig von den Jahreszeiten ist ein Besuch der aktuellen Ausstellung erhellend und deckt dennoch das schwarze Seidentuch des Abschieds über die Besucher:innen. Das ist unvermeidlich, füllen die Werke doch den Raum mit triebhafter Begierde, Sehnsucht nach tieferem Verständnis sowie ungehörten Geschichten aus. Diese bleiben notwendigerweise unbefriedigt, verborgen und unverstanden, denn dies ist der Menschen Schicksal. Wessen Schriften etwa hat Ursula Traschütz für ihre beeindruckenden Papier-Faltungen in neue Formen transferiert? Warum jene und nicht andere? Welche Botschaften verbergen sich noch darin? Und wie steht es um die Heiligkeit der sexuellen Riten? Ist Leidenschaft im erotischen Kontext eine Religion? Ist sie nicht minder anbetungswürdig als andere fragliche Gottheiten? Wann werden helfende Hände zu Krallen, die das Fleisch zerreißen? Wohin streben die Flüsse, Bäche, Bäume, Wolken in uns, wenn wir uns von der Natur entfremdet haben? Die Exponate deuten Antworten darauf an. Sie wahrzunehmen, erfordert dann und wann einmal, die Augen sachte zu schließen.
Herbstsalon 2022 | bis 23.12. | Kunstraum Grevy | 0172 732 05 15
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