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Sri KeTaN Rolf Tepel am Morgen der ParaDies-Zwangsräumung

„Ich hab hier nichts mehr zu verlieren“

26. Juni 2015

Ein Gespräch mit Friedenskünstler Sri KeTaN Rolf Tepel vom ParaDies – Spezial 07/15

Mit dem ParaDies ist es vorbei. Um 9 Uhr rückte am Donnerstag der Räumungstrupp an, der am Eifelwall die Zwangsräumung vom ParaDies vollstreckte. Zehn Jahre hat dort der Künstler Sri KeTaN Rolf Tepel gelebt und gewirkt, nun wird die Stelle zusammen mit benachbarten Grundstücken für den Stadtarchiv-Neubau benötigt. Tepel war am Morgen von Freunden aus nah und fern umgeben, die mit ihm frühstückten und ihm beistanden. Er hatte harte Monate der Unsicherheit hinter sich, in denen er mit der Stadtverwaltung und der Gebäudewirtschaft zu verhandeln versuchte.

Wir sprachen am Vortag der Räumung mit ihm über diesen Umbruch und den Weg dorthin. „Mein Leben ist eine Geschichte, und eins baut auf das andere auf“, sagt er. Tepel wurde 1956 in Krefeld geboren, ging allerdings in Köln zur Schule. Mit 19 verließ er das Gymnasium Rodenkirchen ein Jahr vor dem Abitur, erkundete die Arbeitswelt in Köln und leiste Zivildienst bei der Katholischen Seelsorge, wo er mit der Friedensfrage sein Lebensthema fand…

choices: Dann hast du Köln erst einmal verlassen?
Rolf Tepel:
Mit 24 habe ich den Entschluss gefasst, auf Wanderschaft zu gehen. Dabei war ich drei Jahre zu Fuß unterwegs und die anderen zehn Jahre mit Zirkuswagen, Zelten, in den verschiedensten Berufen und Berufungen unterwegs. Ich spiele 20 Instrumente und habe mit einer künstlerischen Zielrichtung in allen Handwerksberufen gearbeitet. Zum Abschluss, nach dem Mauerfall und dem ersten Irakkrieg hatten wir unsere Wagen neben dem Flughafen Hahn im Hunsrück. Mit Ende des Kalten Krieges wurden die ganzen Waffen aus den Bunkern geholt, in die Flugzeuge gesteckt und über Kuwait abgeworfen. Danach kam kein Flieger mehr zurück, und das hat mich höchst elektrisiert, mich mit der Frage „Deutschland und Frieden“ auseinanderzusetzen. Deshalb habe ich beschlossen, einen Stein durch Deutschland zu rollen, von hier nach Berlin, 1993 bis 1994, und bin nach dieser Aktion, die für mich persönlich von höchstem Wert war, die aber in der Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit völlig untendurch gegangen ist, nach Köln zurückgekehrt und habe jetzt hier schon wieder 21 Jahre auf dem Buckel und davon zehn hier auf dem Eifelwall.


Rolf Tepel suchte noch am Vortag der Räumung nach Lösungen: „Mir brummt der Kopf.“

Du beschreibst dich selbst als Schausteller.
Ich bin im Prinzip ein freischaffender, selbständiger Lebenskünstler nach Schaustellerart. Im Gefolge von Joseph Beuys mit seiner sozialen Plastik, mit dieser Kunstform fühle ich mich absolut d’accord. Ich begreife das ganze Leben als eine soziale Pastik, und der ausübende Ort ist immer da, wo ich gerade bin, mit meinen selbstgeschaffenen Architekturen. Ich bin, glaube ich, einer der ganz wenigen, die in dieser Stringenz hier in Deutschland seit 35 Jahren seine eigene Architektur schaffen, die im Prinzip immer mobil ist und die sich immer wieder anpasst an die Gegebenheiten, also die eigenen Bedürfnisse, aber auch an die Landschaft und den Sozialraum. Mein Thema ist diese Welt.

Wie ist das ParaDies entstanden? Wie hast du den Ort ausgesucht und entschieden, was da entsteht?
Ich kam zurück mit meinem Zirkuswagen, und in den ersten drei Jahren hat mir das Ordnungsamt der Stadt Köln den Wagen dreimal zum Müll erklärt und wollte ihn vernichten. (...) Übrigens gibt’s einen Ratsbeschluss, der ist mehr als zehn Jahre alt, der geht zurück auf eine Empfehlung der Europäischen Kommission von 1962, die allen europäischen Staaten empfohlen hat, die durch den zweiten Weltkrieg im großen und ganzen ausradierten Plätze für Nomaden wiederherzustellen. Bis heute hat die Verwaltung nichts getan, um dem Ratsbeschluss Folge zu leisten. Es gibt keine Plätze in Köln, wo ein Reisender ankommen kann. Dann bin ich elf Jahre mehr oder weniger durch Köln vagabundiert und habe alle möglichen Stadtteile angeschaut und „beschlafen“. Ich kenne Köln also ziemlich gut, habe aber nirgends einen Platz gefunden, wo ich hätte „ankommen“ können. Ich habe aber auch weiter meine Aktionen gemacht und habe mich zwei Jahre sehr engagiert im Vorfeld des Weltjugendtages, wo ich mich mit meinen Friedensprojekten beworben habe. Ich bin nicht berücksichtigt worden, habe aber darauf gesetzt, direkt auf dem Friedenspark mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen: über meine Visionen, Ideen, Vorstellungen, wie wir denn den Frieden mal schaffen könnten. Da wurde ich ausgeraubt am ersten Morgen...

Wir sind noch immer nicht beim Eifelwall…
Ja, dazu komme ich sofort, du musst etwas Geduld haben. Mein Wagen wurde aufgebrochen und ausschließlich mein Computer gestohlen mit meiner Arbeit, die eine halbe Stunde später online gehen sollte über die Webseite der Weltjugendorganisation. In dem Moment wäre ich also mit meiner Installation, die ich ein halbes Jahr vorbereitet habe, mit dem Regebogen für Jerusalem und so weiter, aktiv dagewesen. Im Computer waren alle meine Adressen, alle meine Kontendaten und so weiter. Also, du setzt an zu einem Langstreckenlauf und der Schuss kommt, und dir tritt jemand die Beine weg.
Dieses Unglück hat mich stranden lassen mit meinen beiden Fahrzeugen. Meine Frau hat mich in der Folge auch verlassen, meine Bank hat mir gekündigt, meine Krankenversicherung hat gekündigt... Und das hat mir die Schwere gegeben, dass ich gesagt habe, okay, wohin noch? Wir hatten noch einen Auftritt mit unserem Figurentheater im Bergischen, wir kamen zurück, ich gucke auf Köln rund, das war Oktober, kein Geld mehr für den Sprit, TüV und so weiter. Das Eifelwall-Gelände kannte ich schon, ich kannte auch dieses vermüllte Grundstück links, das keiner nutzt, und dann habe ich gedacht: Dann lasse ich mich da ausrollen.


„Herr Roters hat seit fünfeinhalb Jahren nicht auf ein einziges Schreiben von mir geantwortet.“

Also dann 2005.
Ja, das war vor genau zehn Jahren. Dort habe ich ein halbes Jahr gerödelt wie ein Verrückter und aus dieser Müllkippe, aus 200, 300 Quadratmetern etwas gemacht, was schon sehr schön war. Dann haben sie mich entdeckt, es gab großes Geschrei, Polizei und alle raus hier. Drei Monate später hatte ich ein Gespräch mit dem Engelbert Rummel von der Gebäudewirtschaft und dem habe ich ein bisschen erklären können, was ich da vorhabe und dass ich nur darum bitte, diese Erde, die nicht mir gehört, solange kultivieren zu können, um als bildender Künstler etwas zu zeigen: Wie können wir mit der Erde auch umgehen, mitten in der Stadt? Da hat er gesagt, OK, wenn das mein Wort ist, „schießen wir in Köln so schnell keinen ab“. Und in diesem Wort verstehe ich mich heute noch. Allerdings wurde dann der Herr Rummel ganz plötzlich abberufen, ohne dass er die Freundlichkeit gehabt hätte, den Inhalt unserer Abmachung an den Nachfolger weiterzugeben. Und der Nachfolger konnte uns schon immer nicht leiden, und er hat im letzten Jahr sofort gegen die Absprache, dass im Mai 2015 Aufbruch sein werde, angefangen uns zu bedrängen.

Und mit dem Oberbürgermeister kommst du auch auf keinen grünen Zweig. Hattest du nicht vor drei Wochen eine Verabredung mit ihm gehabt?
Ich habe nie eine Verabredung mit ihm gehabt. Ich habe ihn das erste Mal angesprochen vor seiner Wahl. Herr Roters hat seit fünfeinhalb Jahren nicht auf ein einziges Schreiben von mir geantwortet. Ich habe ihn zufällig getroffen auf dem Glockengeläut für die Flüchtlinge. Da ist er mir in die Arme gelaufen, konnte mir nicht ausweichen, er hat sogar den Fehler gemacht, mich anzusprechen. Da bin ich auf ihn zu und hab die Hand nicht mehr losgelassen und gesagt: „Herr Roters, ich möchte gerne von Ihnen wissen: Wissen Sie, was man mit mir da macht?“ Sagt er: „Ja.“ Sage ich: „Das ist von Ihnen autorisiert?“ Dann sagt er: „Ja.“ Das musst du dir mal vorstellen. Ein Mann, dem ich mich drei Monate vor seiner Wahl als Künstler vorgestellt habe, dem ich gesagt habe: „Ich habe wichtige Dinge mit dir zu besprechen über diese Stadt. Ich habe Ihnen Ideen zu liefern.“ Und so weiter. Der hat auf drei großen Veranstaltungen – und ich habe die filmischen Dokumente davon – vor 6000 Menschen hoch und heilig versprochen… Ich meine, das ist richtig peinlich. Einen Mann an einer öffentlichen Stelle dreimal anzusprechen, vor so vielen Zeugen, und dreimal beteuert er: „Herr Tepel, ich komme jetzt, ich spreche mit Ihnen.“
Das ist, nebenbei, das Baugrundstück für sein Lieblingsbauwerk, das wieder zu errichtende Archiv. Der hat das als Bauherr nicht einmal besucht. Was das bedeutet für eine Stadt, wenn der Bauherr sich nicht einmal mehr interessiert für ein Baugrundstück, wo er hundert Millionen Euro Steuergelder verbaut… Er hat von sich aus zu mir noch gesagt, dass er meine Posts lese, dass er meine ganzen Briefe lese: „Ich les das doch alles, was sie da…!“ Ich sage: „Was? Das darf ja wohl nicht wahr sein.“ Ich bin befreundet mit verschiedenen Leuten, die den Roters gut kennen. Die haben ihn alle auf diesen Fall angesprochen und er hat immer so getan, als kenne er mich nicht. Das musst du dir mal wirklich überlegen.

Was hast du denn jetzt deiner Meinung nach erreicht mit dem ParaDies in den zehn Jahren?
Also ich habe erreicht – acht Jahre davon habe ich kein Konto gehabt, keinen Briefkasten, ich war innerhalb der Stadt, aber außerhalb des Systems und hatte jeden Morgen Zeit, das zu tun, was mir das Gelände sagt, was wichtig ist, und habe nach Herzenslust gebaut und getan, so weit es eben ging. Mit ein bisschen Unterstützung – meine Güte, da hätte der Anfang gelegt werden können für eine völlig veränderte Stadt. Also vor allem erst einmal für die Vollendung des Grüngürtels, auf eine noch bessere Art, als Adenauer es gemacht hat. Das habe ich alles nicht erreicht. Im Kollektiven habe ich eigentlich nichts erreicht, denn diese Stadt ist meines Erachtens absolut beratungsresistent und – ich vergleiche Städte mit einzelnen Menschen – die Leber ist so geschwollen, der Alkoholismus sitzt so tief, dieses Immer-dem-Bier-Zusprechen und dem anderen Zeug auch, ist das Fatalste, was der Mensch machen kann, um in seinem Unglück zu bleiben. Die Reflexionsfähigkeit geht weg, vor allem die Reflexionsfähigkeit über den Anderen. Ich lass dich ja gar nicht richtig an mich ran.


Ein Bagger fährt um 10 Uhr auf das ParaDies-Grundstück

Das ist jetzt wörtlich gemeint mit dem Alkoholismus?
Ja, wörtlich, diese Stadt ist außerdem verfilzt, das wissen wir schon ganz lange. Filzläuse, Schmarotzer, hier lügt jeder jeden an. Diese ganze Besudelei mit „Wir sind ja hier so herzlich und gastfreundlich“, das ist alles totaler Quatsch, da kann ich Geschichten erzählen, die als Einzelbeispiele das völlig belegen, wie verlogen das ist. Es geht natürlich hier um Gästezahlen, um Belegung von Gästebetten und möglichst viel Bierumsatz. Bei allem. Bei der phil.Cologne, das ist genauso verlogen, da geht’s nur darum, einmal möglichst viele Leute in die Stadt und wieder raus. Das haben wir jetzt bei dem Singer-Konflikt gesehen, wie es ist, wenn‘s darum geht, nur ein bisschen die philosophischen Regeln einzuhalten. Die hatten da einen berühmten Philosophen [Peter Singer, Autor von „Animal Liberation“] aus Australien eingeladen, der immerhin vor etwa 25 Jahren durch ein Buch weltweit den Menschen den Spiegel vorgehalten hat, was den Umgang mit Tieren angeht, und eine Weltreaktion ausgelöst hat. Der ist aber umstritten, weil er sich auch Gedanken macht, ob es sinnvoll ist, jedes behinderte Kind ans Leben zu holen. Sobald der irgendwo auftaucht, gibt’s Gegendemonstrationen. Dann haben die ihn eingeladen gehabt und haben nur ein Anzeichen von einer Reaktion bekommen und ihn sofort wieder ausgeladen. Und die Art und Weise, wie sie das gemacht haben, deckt sofort auf: Ach, das ist eine Kommerzveranstaltung, es geht gar nicht um unsere Auseinandersetzung hier.

Wie ist die derzeitige Lage vom ParaDies [am Tag vor der Räumung]?
Wir haben seit 1. Mai kein Strom und kein Wasser. Du musst bedenken, ich lebe in meinem eigenen Labor, meiner eigenen Werkstatt; wenn man uns das Wasser wegnimmt und natürlich erst recht den Strom, das heißt die Kommunikation fällt aus und auch der Einsatz von Maschinen. Die ganze Skulptur, die Teile, die umziehbar sind, wiegt 80 Tonnen. Drei Leute können also in dem Moment nichts mehr tun, um von da wegzukommen. Und jetzt seit vier Wochen auch noch totales Besuchsverbot. Das heißt, Kunden, Lieferanten, Freunde, Mitarbeiter, Schüler … Ich betreibe das Ganze ja auch in gewissem Sinn als einen Schulungsraum. Das kann ich auch belegen, ich mache es nur völlig informell, wie ein Lehrer in der alten Zeit. Es gibt Menschen, die kommen, um eben dort etwas zu lernen und ich gebe diesen Raum.
Wir sind unglaublich durch Situationen gegangen in den letzten acht Wochen… Die Nina, habe ich gedacht, die ist bald reif für die Psychiatrie, die braucht Hilfestellung, denn das ist ihr so nahegegangen. Du musst dir vorstellen, wir sind da isoliert, es patrouillieren inzwischen sechs Wachleute mit drei Hunden ums Gelände. Ich habe das schon verglichen mit dem, wie sich Menschen im Gaza-Streifen fühlen müssen, die das allerdings schon vierzig Jahre mitmachen. Auf das Gelände hat das auch Auswirkungen, wie also Teile wieder verwahrlosen. Der ganze Müll von denen, die ausgezogen sind, ist liegengeblieben, ich habe angefangen das zu sortieren, dann kommt das Besuchsverbot. Es liegt seit vier Wochen ein Riesenberg Müll, den wir nicht wegschaffen können.

Und morgen ist praktisch Zwangsräumung.
Ja Moment! Also ich habe ein Schreiben – geredet hat mit mir keiner – da steht drin, dass morgen um 9 Uhr diese Gerichtsvollzieherin nochmal wiederkommt und dann zur Zwangsvollstreckung schreiten will. Ich habe darauf geantwortet, habe es versucht vor Gericht mit einer einstweiligen Verfügung, wir haben für morgen noch eine weitere vorbereitet, die, falls die wirklich mit einer Hundertschaft ankommen, sofort zu Gericht geht. Es gibt dieses Schreiben an den Roters. Immer noch telefonieren sich Leute die Finger wund, dass doch bitte mal ein Politiker der Stadt sich dieser Sache annimmt. Ein Gespräch, sage ich dir, und sofort ist das Ganze… Das sind 140.000 Euro nur für die Sicherheitsleute, die in diesen Monaten ausgegeben worden sind. Ich habe Anträge damals für meine Arbeit gestellt, um irgendwie 1000 Euro zu bekommen. Ging nicht.


„Ich kann Frieden, aber auf Krieg bin ich nicht eingestellt.“

Was ist denn jetzt das große Missverständnis?
Also das Missverständnis ist: Ich habe Herrn Rummel [heute Leiter des Ordnungsamtes] vor zwei Jahren zugesagt, dass ich mich an die ursprüngliche Vereinbarung halten will und aufbrechen will, am 1. Mai 2015. Daraufhin habe ich im Januar 2014 noch einmal einen Neuanfang gewagt – wir waren ja abgebrannt [Brand am 2.10.2012] – und angefangen, das Gelände betriebsbereit zu machen und nach der Saison, also Ende Oktober, abgesehen von den Strukturen, die wir für den Winter noch brauchen, alles in Umbaumaßnahmen in Bewegung zu bringen, abzureißen und in den Aufbau von Fahrzeugen reinzustecken. Das konnte schon gar nicht richtig starten, denn im August tauchte plötzlich dieser Rostek auf und es hieß: „Ihr geht jetzt raus.“ Von jetzt auf gleich. Das heißt, ich war drei Monate beschäftigt, ausschließlich, so wie jetzt auch, mit Schreiben, Gericht – es ist alles nicht mein Arbeitsfeld. Ich habe das nicht geübt in meinem Leben. Ich kann Frieden, aber auf Krieg bin ich nicht eingestellt. Also ging das so los, bis ich mürbe war und ins Rathaus gegangen bin, und dummerweise an dem Abend konnte mein Rechtsanwalt nicht und ich habe da dieses Ding unterschrieben. Und darauf berufen sie sich alle. Aber Fakt ist, mit Herrn Rummel habe ich gesprochen, und das war ein Mann. Was ich den anderen echt abspreche. Die machen alles das, was sie machen, nur, weil sie irgendeine Gehaltsabrechnung kriegen und ein Büffet.

Was für ein Dokument war das?
Das war so ein dickes Ding, du, wat die da reingeschreiben haben, hör mir auf. Ich hatte extra meinen Freund, den Pfarrer mitgenommen, damit der die Gespräche verfolgt. Die haben mir immer erklärt, sie glauben mir nicht, was der Rummel mir geglaubt hat, dass ich am 1. Mai wirklich aufbrechen will. Dass sie deswegen dieses ganze Theater jetzt schonmal anfangen, damit sie dann am 1. Mai einen Räumungstitel haben. Da habe ich gesagt: „Gut, ich will weg, aber ihr müsst mich in Ruhe meine Sachen bauen lassen.“ Und das haben die mir zugesichert in dieser Verhandlung und dann habe ich unterschrieben. Ja, und dann baue ich um, baue ein Wandertheater, mein Sohn investiert noch ein paar tausend Euro, und dann kommen die nachts um 6 Uhr 30 mit einer Hundertschaft, mit der Bauaufsicht, die das Stadtarchiv hat einstürzen lassen und die gerufen worden ist, und reißen da diese fünf Dachbalken ab.

Wie ging das vor sich?
Wir hatten Dachbalken oben auf diesem Theater, es war kurz vor der Vollendung und wir haben zum Richtfest eingeladen. Stattdessen kommt drei Tage vorher das Bauaufsichtsamt mit der Gebäudewirtschaft, einer Zimmerei und der Polizei und machen aus einem Dachstuhl, wo du einen Panzer hättest draufstellen können, mit der scheinheiligen Begründung, das würde den Kölnern auf den Kopf fallen… Wir hatten am Tag vorher zwei Statikerbüros, die uns und der Bauaufsicht beide schriftlich gegeben haben, dass das Dingen unbedenklich ist. Ich habe natürlich eine Klage am laufen gegen die Stadt Köln. Aber das bedeutet, dass dieser Plan in diesem Jahr nicht mehr stattfinden kann. Eine Woche später habe ich all den Protagonisten der Stadt, die damit was zu tun haben, eine E-Mail geschrieben und gesagt: „Klar ist: Das, was wir vorhatten, hier aufzubrechen, so funktioniert das nicht. Wir werden also noch da sein und wir werden am 1. Mai ein Problem haben. Ich bitte darum, jetzt mit mir darüber zu sprechen.“ Ich habe 13 verschiedene Ausweichplätze genannt, wo es hätte weitergehen können, aber es hat niemand mit mir geredet.

Und die Suche nach einem neuen Ort in Köln war ergebnislos geblieben, oder?
Also, ne, mein Plan war und ist, ich möchte mit einem runden Tisch und einem entsprechenden Zeltbau oben drüber von Köln nach Berlin reisen. Und dieser Raum ist so geartet, dass da drin sich ungefähr 30 Menschen um den runden Tisch herum aufhalten können, und der Raum soll medial so angeschlossen sein, dass jedes Wort, das am Tisch laut wird, überall gehört und nachvollzogen werden kann. Damit will ich einmal durch Deutschland ziehen, nie schneller als zu Fuß, und in fünf, sechs Etappen nach Berlin reisen. Überall, wo man sagt: „Das ist geil“, ankommen, Tisch aufbauen, Zelt aufbauen, das Gespräch neu beginnen. Das ans Netz angeschlossene Gespräch geht immer im Kreis, und wir alle können mithelfen, die richtigen Fragen zu finden, die wir besprochen haben wollen. Das rege ich auch in Köln immer wieder an: einen runden Tisch, einen Ort, an dem die Stadt mit sich selber neu ins Gespräch kommt. Und wo es nicht mehr darum geht, bin ich rot, bin ich grün, bin ich katholisch, evangelisch, gebildet oder nicht gebildet, sondern wo es um die Fragen geht, die sich die Menschen alle stellen. Die auch die kleinsten Kinder inzwischen stellen.

Lässt sich dein Plan irgendwann noch umsetzen?
Ich habe bisher noch keine großen Sponsoren gefunden für die Idee. Wir arbeiten daran. Mein Leben ist ein vollständig hingebendes. Das heißt, ich halte nichts fest, sondern investiere alles. Von daher, mehr geht eben nicht. Ich kann nur für Ideen begeistern und tun, was ich mit meinen Fähigkeiten kann, und wenn Unterstützung kommt, dann geht’s ein Schrittchen weiter. Und wenn dann solche Sachen passieren, mit so einer massiven Staatsgewalt, und das steht dann im Kölner Bruttosozialprodukt als positiver Wert mit 20 oder 30000 Euro.

Die Kölner an sich sind es offenbar nicht, die dir Probleme machen, sondern die politische Ebene.
Die Verwaltung eher noch mehr. Die politische Ebene, die zeigt eine innere Abwesenheit. Ich behaupte von Köln – und da stimme ich völlig mit der [OB-Kandidatin] Henriette Reker überein, die im Wallraff-Richartz-Museum den einzigen Satz gesagt hat, der allgemeinen Beifall fand. Sie wurde gefragt, was läuft da schief in Köln, da sagt sie: „Ganz einfach, die Verwaltung macht hier die Politik und die Politik hat nicht mal Verwaltungsniveau.“ Das ist totales Kasperletheater. Die masturbieren eigentlich gegenseitig vor sich hin.

Kannst du, materiell gesehen, derzeit überhaupt noch weitermachen.
So kann man einen Menschen in den Ruin treiben. Ganz klar, ganz einfach.

Was wünscht du dir jetzt?
Ich wünsche mir nichts sehnlicher, als dass mir diese Stadt einfach mal ein bisschen ihr Ohr und ihr Auge schenkt. Eifersüchtig bin ich auf diesen Keupstraßen-Bomber: Der ist ja auch ein Kreativer, in der Destruktionsschiene, das ist ja ganz klar ein Kunstwerk, so eine Bombe, da stimme ich vollkommen mit Stockhausen überein, ein Mensch, der hat eine Motivation, einen inneren Antrieb, er wollte etwas zum Ausdruck bringen, es ist eine expressive Kunst, und es ist natürlich jemand, der es als Detonationskünstler auf Zerstörung und Schmerzen angelegt hat. Dagegen gibt es aber auch andere Künstler: Schamanen, Heiler, wie auch immer, die alles daran geben, dass ihre Kunst die Menschen heilt. Dazu gehöre ich. Ich habe zehn Jahre Feuer gemacht, habe einen Ort der Gastfreundschaft in dieser Stadt betrieben wie kein anderer, für jeden. Aus diesen Feuerstellen sind 2 Tonnen Nägel mit Magneten herausgesammelt worden. Der Bomber lässt 702 Nägel explodieren und bekommt bis heute die Aufmerksamkeit. An diese Tat wird erinnert mit Versammlungen. Wenn ich das vergleiche mit meinen zehn Jahren in dieser Stadt, einen Ort der universellen Gastfreundschaft zu kreieren und zu erhalten, ohne irgendeine Unterstützung, und ich habe dann so ein Kunstwerk [ein Triptychon aus Nägeln und Scherben] da stehen: Es interessiert sich kein Mensch dafür. Die Bauanleitung der Bombe ist weltweit veröffentlicht worden, die Presse geht also dahin und gibt anderen die Möglichkeit, diese Kunst zu wiederholen.

Was machst du, wenn morgen alle Befürchtungen wahr werden?
Ich habe zum Frühstück eingeladen. Wenn dann schon um 6 alles umstellt ist, werde ich in aller Ruhe meinen Bollerwagen packen, mit den sieben Sachen, die mir das Allerwichtigste sind. Unter der Eiche steht so ein junger Kirschbaum, der wächst mir schon seit Jahren entgegen als der Wanderstab, mit dem ich dann weiterziehen will. Dann spiele ich noch einmal ein Harfenkonzert, winke nochmal nett, und dann bin ich weg. Ich werde als erstes meinen ältesten Freund aufsuchen, der gerade im Sterben liegt. Ich weiß nur, in meinem Leben gehen die neuen Türen immer erst auf, wenn die alten zu sind.
Einer hat gefragt, ob ich frustiert sei. Frustriert bin ich nicht. Ich hab hier nichts mehr zu verlieren – die Stadt hat was zu verlieren. Ich beschäftige mich mit der Frage, wie kann ich als Mensch, der ich bin, auf die Umwelt, also auf die Welt, so einwirken, dass es wieder schön wird. Ich hab bestimmte Schönheitsideale, was dazugehört. Beispiele gegeben habe ich genug und ich weiß von all den Menschen – 20.000, schätze ich, waren da in den zehn Jahren – da ist nichts verloren. Jeder Mensch, der den ParaDies-Gedanken in sich trägt, der kann gar nicht anders, als seine Handlungen im Großen und Ganzen daran orientieren, weil er es einmal geschmeckt hat. Auch all die Kinder die da waren. Ich weiß von Kindern und Jugendlichen – es waren ja Kunstlehrer da mit ihren Kunstgruppen – die brauchen einmal drei Stunden, das ist fürs Leben! Einmal diese besondere Matrix der Natur, der sorgfältigen Gestaltung, der bildhaften Sprache, ein Raum, wo jeder, der durch die Tür kommt, merkt, da fällt irgendwie alles ab, was einen so zwanghaft sein lässt. Das reicht doch.

Wir wünschen dir alles Gute und vielen Dank für das Gespräch.

Interview/Fotos: Jan Schliecker

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