Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Wir lieben und wissen nichts“
Foto: Meyer Originals

Intellektuellen-Boulevard

24. September 2015

Moritz Rinke am Theater der Keller – Theater am Rhein 10/15

Die ganze Bildung liegt am Boden. Sebastian Haffner, Anais Nin, Theodor W. Adorno, Herbert Prantl – alles bereit für die Kiste. Doch Sebastian (Sascha Tschorn), eine akademische Sumpfdotterblume im Schlabberlook, ziert sich, als ob es zur Beerdigung ginge, anstatt zum Umzug nach Zürich. Er kniet zwischen seinen Hausgöttern, malt mimosenhaft Menetekel des akustischen Overkills in der neuen Wohnung an die Wand – bis seine Freundin Hannah die einfache Frage stellt: „Wovon leben wir denn?“ Von ihren Zen-Seminaren für Banker nämlich.

Das Paar hat einen befristeten Wohnungstausch mit Roman und Magdalena vereinbart – quasi als Ausweis der eigenen Zugehörigkeit zur globalen, selbständigen Elite. Moritz Rinkes Vierpersonenstück „Wir lieben und wissen nichts“ ist Intellektuellen-Boulevard im Stil einer Yasmina Reza, allerdings ohne deren Schärfentiefe und bissigen Ironie – was aber der Unterhaltung keinen Abbruch tut. Die Fallhöhen der Figuren sind eher gering. Was beim intellektuellen Schaumschläger Sebastian der Pornokonsum, ist bei der drahtigen, zupackenden Hannah (Barbara Fernandéz) ein lächerlicher Tierschützeralbtraum von einer bedrohten Eisbärenfamilie. Als das Tauschpaar dann viel zu früh einläuft, eskaliert der Konflikt. Der Satellitentechniker Roman (Matthias Lühn) ist ganz hochgespannter Technikfetischist, dem die Wunderwelt der digitalen Kommunikation Beziehung und Sex ersetzt. Ähnlich wie bei Ibsen leben auch Rinkes Männer in schillernden Traumwelten und verweigern sich der Realität. Frauen dagegen haben den Durchblick, scheitern aber an ihrer Anhänglichkeit. Magdalena (Mirjam Heimann) säuft fortlaufend, weiß, dass Roman seinen Job verloren hat und es nicht wahrhaben will – und hängt trotzdem an ihm. Es kommt, wie es kommen muss, die Paare finden überkreuz Gefallen aneinander – bis zur kleinen Katastrophe. Heinz Simon Keller inszeniert mit viel Sinn für Tempo und ohne Firlefanz. Knapp zwei Stunden gute Unterhaltung.

„Wir lieben und wissen nichts“ | R: Heinz Simon Keller | Theater der Keller | Sa 3.10., Sa 17.10., Fr 23.10., Sa 31.10. 20 Uhr | 0221 27 22 09 90

Hans-Christoph Zimmermann

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

September 5 - The Day Terror Went Live

Lesen Sie dazu auch:

Die Existenzkrise der Kunst
„Do not touch“ am TdK

Schussbereite Romantik
„Der Reichsbürger“ in der Kölner Innenstadt – Auftritt 01/25

Fluch der Stille
„Ruhestörung“ am TdK – Theater am Rhein 12/24

Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24

Bis der Himmel fällt
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 09/24

Der Witz und das Unheimliche
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Prolog 08/24

Schöpfung ohne Schöpfer
Max Fischs Erzählung „Der Mensch erscheint im Holozän“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 05/24

„Wir wissen nicht viel über das Universum“
Ronny Miersch inszeniert „Der Mensch erscheint im Holozän“ am TdK – Premiere 04/24

Einstürzende Bergwelten
„Monte Rosa“ am Theater der Keller – Prolog 02/24

Schleudergang der Pubertät
„Frühlings Erwachen: Baby, I‘m burning“ am Theater der Keller – Auftritt 11/23

Komik der Apokalypse
„Die Matrix“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 10/23

Sonnenstürme der Kellerkinder
1. Ausbildungsjahr der Rheinkompanie – Theater am Rhein 08/23

Theater am Rhein.

HINWEIS