Barbara Foerster ist seit vier Jahren Leiterin des Kölner Kulturamtes, das Kulturschaffende berät und über die Fördergelder für die freie Kulturszene entscheidet. Im abgelaufenen Jahr wurden wieder rund 5,5 Mio. Euro in den Sparten freie Theater, Musik, Tanz, Filmkultur, Popkultur, Literatur, Kunst, Neue Medien und Interkulturelles vergeben. Eines der Leitprojekte für die Kulturstadt Köln ist seit Jahresbeginn 2018 die Strukturstärkung der Freien Szene als Akteur der Stadtgesellschaft. Dies dürfte die Planungssicherheit in der Szene erhöhen und soll für eine faire Bezahlung von Künstlern und Kreativen sorgen.
choices: Frau Foerster, ist es generell so, dass über die einzelnen Sparten hinweg zunehmend unter prekären Bedingungen gearbeitet wird?
Barbara Foerster: Ja, das Kulturdezernat hat im letzten Jahr mit dem Wirtschaftsdezernat einen aktuellen Datenreport zur Kultur-und Kreativwirtschaft in Köln herausgegeben, und der besagt, dass die finanzielle Lage der freien Kultur- und Kreativakteure extrem schwierig ist. Wir haben nur deutschlandweite Angaben, und die besagen, dass der Umsatz, den jeder Einzelne aus Kultur- und Kreativwirtschaftsarbeit macht, zwischen 6000 bis 18.000 Euro im Jahr liegt. Gleichzeitig ist die Kultur- und Kreativwirtschaft in Köln extrem stark mit einer unvergleichlich hohen Branchenvielfalt. Diese Branchenvielfalt zu erhalten und zu stärken, dort setzten wir mit unserem Leitprojekt an. Die Stadt will mit einem höheren Budget nicht *mehr* Leute fördern, sondern wir wollen die Leute höher fördern – damit genau an dieser Honorarschraube gedreht werden kann.
Wie hat sich ihr Budget in den letzten Jahren entwickelt, und wie wirken sich die allgemeinen Miet- und Nebenkostensteigerungen aus, die Veranstalter zu tragen haben?
Wir sind in der glücklichen Lage, dass wir Budgetzuwächse haben in den letzten Jahren – das fing schon 16/17 durch einen politischen Nachtragshaushalt an, durch den wir für die Freie Szene eine Million dazubekommen haben. Die Dezernentin hat in Absprache mit dem Kulturamt ein Leitprojekt aufgesetzt, das die Stärkung der Freien Szene als Akteur der Stadtgesellschaft bis 2021 zum Ziel hat. Hintergrund ist, dass die Oberbürgermeisterin von jedem Dezernat Leitprojekte für die Aufstellung des Haushaltes gefordert hat. Unser Leitprojekt bedeutet, dass wir die freie Szene mit mehr Beratung und mehr Budget in ihren Strukturen unterstützen werden. Da geht es um Stärkung von bestehenden Häusern und Strukturen, um die Beratung für interkulturelle und inklusive Projekte, die Verzahnung von Kultur- und Stadtentwicklung, und da geht’s um die Budgeterhöhung für die freie Szene.
Sehen Sie in der Kultur eine Ungleichverteilung wie im Rest der Gesellschaft?
Also es gibt eine Forderung von der freien Szene: 10 Prozent vom Kulturetat zu erhalten. Unser Leitprojekt sieht bereits eine Entwicklung bis 2021 auf 6 Prozent vor. Ein Anfang ist also gemacht. Die weitere Entwicklung sollte Gegenstand der Diskussion zur Fortschreibung der Kulturentwicklungsplanung sein.
Die Veranstalter wappnen sich für den Karneval, machen teilweise dicht oder passen ihr Programm an – ist Karneval ein Albtraum für das Kulturamt?
Nein. Ich sehe auch nicht, dass die Kulturveranstaltungen abbrechen. Klar, an Weiberfastnacht ist nicht so viel los wie sonst, aber ich habe nicht den Eindruck, dass die Kulturszene dem Karneval negativ gegenübersteht, im Gegenteil, die Leute wollen genauso Karneval feiern wie jeder andere auch. In dem Sinn befruchtet sich das zuweilen auch.
Auf Kölns Straßen und Plätzen herrscht nun ein Verstärkerverbot – das trifft die Straßenmusiker unterschiedlich hart. Wie schätzen Sie das Verbot ein?
Persönlich finde ich es gut und sinnvoll. Alle Kollegen vom Kulturamt – unsere Büros liegen sehr zentral in der Innenstadt – haben selbst darunter gelitten. Es war wirklich extrem laut und für die Arbeit oft schwierig. In anderen Städten gibt es dieses Verstärkerverbot schon länger. Ich finde, dass Straßenmusik auch akustisch extrem gut funktioniert. Und ich muss gleichzeitig anmerken: Andere künstlerische Interventionen im öffentlichen Raum brauchen ein ausführliches Genehmigungsverfahren, um überhaupt stattfinden zu dürfen. Das empfand ich bisher als Ungleichgewicht.
Gibt es bei den Genehmigungsverfahren für Live-Veranstaltungen inzwischen Erleichterungen?
Es gibt eine verbesserte Abstimmung zwischen Kulturamt und Ordnungsamt, so dass Veranstalter frühzeitiger über die Notwendigkeiten des Genehmigungsverfahrens Kenntnis erhalten können.
Der Ebertplatz war in den letzten Monaten viel in den Schlagzeilen, auch weil den Kunsträumen gekündigt werden sollte bzw. wurde. Wie bringt sich das Kulturamt ein bezüglich der Zukunft des Platzes?
Es wurde ein großes Beteiligungsverfahren vom Amt für Stadtentwicklung initiiert, das war der dezidierte Wunsch der Politik, und wir als Kulturamt sitzen bei diesem Verfahren mit am Tisch, gestalten also mit.
Haben Sie Vorstellungen, wie es da in Zukunft aussehen sollte?
Das entsteht im Gespräch mit den gesamten Pionierpartnern, die am und um den Ebertplatz arbeiten und leben. Ich habe daher keine feste Vorstellung. Es geht gerade darum, die Leute, die dort gerne was machen wollen, dahingehend zu unterstützen, dass sie den Ebertplatz in Zwischennutzung gestalten können. Klar, unsere Blickrichtung ist ein hochwertiges kulturelles Angebot – durch Kunstakteure wie den Brunnen e.V.
Welche Entwicklungen und welche sonstigen Brennpunkte machen Ihnen in letzter Zeit etwas Sorgen und in welche Konflikte schalten Sie sich ein?
Wir sind mitten im Kulturentwicklungsplan-Prozess. Hierbei haben sehr viele Runde Tische mit der freien Kulturszene stattgefunden. Ein Thema, das dort stets genannt wurde, ist der große Bedarf an Räumen und Freiräumen – Raumbedarfe für Produktionen und die Nutzung des öffentlichen Raumes, der immer stärker privatisiert wird. Das ist ein generelles Problem von vielen Millionenstädten mit sich überschneidenden Nutzungsbedarfen in den Innenstädten. Die notwendige Verzahnung von Stadtentwicklung und Kulturförderung für einen Fortbestand von Kultur- und Kreativräumen in Köln: Mit dieser Aussage bin ich damals angetreten und habe sie als Mantra immer wieder ins Gespräch gebracht. Ich bin überaus glücklich, dass jetzt eine Konzeptausarbeitung für die Integrierung von Kultur- und Kreativräumen in die Stadtentwicklung geplant ist. Sie konnten es aktuell in der Zeitung lesen. Ein solches Konzept, das ein Modell entwirft, wie die Stadt strukturell die Themen Stadtentwicklung und Kultur- bzw. Kreativraumplanung verschränkt, wäre eine sehr große kulturpolitische Weichenstellung. Für die Kultur- und Kreativwirtschaft wäre das aus meiner Sicht sogar die entscheidende Standortsetzung. Ich begrüße es daher sehr, dass dies vom Gestaltungsbündnis angeleiert wurde, und da werden wir natürlich mitgestalten wollen.
Sehen Sie es als Teil Ihrer Aufgaben, Kultur in bestimmte Stadtteile zu lenken, oder soll sich möglichst viel im Zentrum abspielen?
Ja, also das ist oder müsste – meiner Meinung nach – die Idee von so einem Konzept sein, dass die Kultur in allen Stadtgebieten in Köln auch lebendig angeboten werden kann und das Leben dort mitgestaltet. Dass es also darum gehen muss, in neuen Quartieren, egal wo – Parkstadt Süd, Deutzer Hafen, Kalk – direkt von vornherein Kunst und Kultur anzusiedeln oder existierende Orte zu erhalten. Denn sonst entstehen zunächst cleane Wohngebiete, und man muss Kultur dann mühsam im Nachhinein ansiedeln, weil man sieht, dass die Leute für ein lebenswertes Veedel Kultur gerne als Angebot vor Ort haben wollen. Ich bin fest davon überzeugt, dass der Bedarf an Kunst- und Kulturangeboten steigen wird. In Zukunft werden durch die Digitalisierung ganze Arbeitsbereiche wegfallen, der Anteil der Arbeitszeit an unserem Leben also weniger werden. Das heißt, die Nachfrage nach sinnstiftenden Beschäftigungen wird steigen – und somit auch die Nachfrage nach Kultur- und Kreativangeboten.
Gibt es bestimmte Stadtviertel, wo es da sehr klare Defizite gibt?
Ich würde sagen, es gibt Stadtgebiete, wo zurzeit geplant wird und das Ende daher noch offen ist. Da wäre das Heliosgelände zu nennen, ich glaube, da ist die Stadt auf einem guten Weg – hier ist ein Runder Tisch mit allen derzeitigen Kulturnutzern mit dem Investor geplant, um gemeinsam zu überlegen, in welcher Form dort auch weiterhin Kunst und Kultur angesiedelt werden kann. Eine noch offene Planung, bei der wir in sehr guten Gesprächen mit dem Entwickler stehen, ist das Clouth-Gelände.
Haben wir seit dem Abriss des Underground neue Kapazität für stadtnahe Live-Musik in Köln?
Das wird ganz sicher die Frage sein bei diesem Runden Tisch zum Helios-Gelände, der vom Bezirksbürgermeister Herrn Wirges ins Leben gerufen werden soll. Klar, es wird ja auch für das Underground eine temporäre Alternativnutzung geben können – in dem Sinne hat man das schon im Blick.
Der Stadtgarten wird zum Europäischen Zentrum für Jazz und Aktuelle Musik ausgebaut. Was ist Ihnen dabei wichtig?
Wichtig ist uns, dass der Stadtgarten gleichermaßen in Köln und nach außen wirkt, indem er den Kölner Jazz-Nachwuchs fördert – er hat ja vor, Residenzen auszuschreiben – und gleichzeitig ein Magnet für internationale Künstler ist. Aber das gelingt ihm bereits sehr gut. Die Konzentrierung auf die Sparte Jazz und Aktuelle Musik im Sinne eines noch zugespitzteren Profils war das, was wir zusammen mit dem Land mit dem erhöhten Budget auf den Weg bringen wollen.
Es wurde ja aus der Musik- und Clubszene mehrfach ein fester Ansprechpartner gefordert, vielleicht ein „Nachtbürgermeister“, der besonders für Klärungen in Bereichen wie Lärm und Sicherheit zuständig ist. Hat es dazu Gespräche gegeben?
Aus meiner Sicht müsste dies ebenfalls Gegenstand des erwähnten Stadtentwicklungskonzeptes sowie des Kulturentwicklungsplans sein, denn ich glaube, dass eine Stelle, Büro oder Person eine Lösung sein kann, um eine Schnittstelle zwischen Verwaltung und Szene zu bilden.
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