La Traviata von Giuseppe Verdi gehört zu den populärsten Opern der Welt. Frei nach dem Roman „Die Kameliendame“ von 1848 geht es um die Liebesbeziehung zwischen Kurtisane Violetta und Alfred, einem jungen Mann aus wohlhabendem Haus. „Nirgendwo sonst stirbt eine Figur so ausführlich und detailliert“, beschreibt das Theater im Bauturm die Handlung und brachte das Stück im April selbst auf die Bühne. Sebastian Kreyer ist Regisseur von „La Traviata – oder: Doro, ich krieg keine Luft mehr!“ und auch selbst auf der Bühne zu sehen.
choices: Herr Kreyer, La Traviata ist eine der bekanntesten Opern – wieso wurde gerade sie gewählt? Was ist interessant daran sie zu inszenieren, nachdem sie generell schon so oft gezeigt und gesehen wurde?
Sebastian Kreyer: Es ist in unserem Falle gar nicht von Nachteil, wenn die Zuschauer die Oper schon einmal gesehen haben. Im Gegenteil, dann haben sie eine direkte Vergleichsmöglichkeit. Denn so, wie die Oper jetzt hier am Theater am Bauturm zu sehen ist, hat man sie zuvor bestimmt noch nicht gesehen – auf kleinstem Raum, mit nur zwei Spielern und ohne Live-Orchester. Und gerade in der bewussten Beschränkung, ein Begriff, der der Oper sonst ja eher fremd ist, lag für mich auch der Reiz und die Herausforderung der Inszenierung.
Was für Opernerfahrungen haben Sie selbst gemacht? Haben Sie La Traviata selbst schon einmal in der Oper gesehen?
Ich habe die Oper schon live gesehen, als bekennender Callas-Fan vor allem aber auch oft gehört – ihre Violetta gilt ja als die gültige Interpretation der Rolle. Normalerweise scheue ich mich aber eher davor, mir Stoffe, die ich selbst auf der Bühne umsetze, in anderen Bearbeitungen vorab intensiver anzuschauen. Aus Angst, die eigene Fantasie so vorschnell zu beschneiden, quasi eine Déformation professionelle, wie man so sagt. Aber in unserem Falle war auch die nicht gegeben, weil wir aufgrund der genannten Beschränkungen von vornherein wussten, dass wir einen ganz anderen Weg einschlagen werden.
Ist die Inszenierung dem Original ähnlich oder wie wurde die Vorlage verändert, um im Theater im Bauturm aufgeführt werden zu können?
Wir erzählen die Oper eher assoziativ, indem wir Schlaglichter auf die entscheidenen Gelenke der Handlung werfen. Und beziehen auch immer wieder die literarische Vorlage, also Dumas' „Kamelidendame“, mit ein. Gerade auch, weil wir das dann, deutlich anders als in der Oper, nicht komplett durchsingen, sondern den Abend auch zur Hälfte mit Texten, eben denen von Dumas, aber auch eigenen bestreiten. Hinzu kommt eine Parallelhandlung, in der es die Figur der Operndiva gibt, die die Violetta darbietet, und die des Ersatzsängers, der die Partien Alfredos und seines Vaters übernehmen muss, da die Originalbesetzung kurz vor Beginn der Aufführung auf tragische Weise verunglückt. Also ein bisschen Theater im Theater. Und somit auch die Möglichkeit für ein bisschen mehr Humor als es das Original eigentlich erlaubt.
In der Beschreibung des Stückes steht, dass es auch um die „Macht der Musik“ geht. Wie kann man diese Macht zeigen, ohne die räumlichen Voraussetzungen einer Oper zu haben?
In diesem Falle liegt die Macht ja glücklicherweise nicht im Auge, sondern vielmehr im Ohr des Betrachters. Wir versuchen aufrichtig, der Musik Verdis Herr zu werden. Wenn es gelingt, dann stellt sich der Zauber ein, gelingt es nicht, dann macht es trotzdem Spaß. Uns und hoffentlich natürlich auch dem Publikum.
„La Traviata – oder: Doro, ich krieg keine Luft mehr!“ | R: Sebastian Kreyer | 28., 29.5., 15., 16.6., 6., 7.7. je 20 Uhr | Theater im Bauturm | 0221 52 42 42
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