„Ein Gesetz, das zur heutigen Zeit und den Menschen passt.“ Mit diesen Worten, die nahelegen beim Grundrecht auf Demonstrationsfreiheit gehe es um angesagten Lifestyleschnickschnack, bewirbt Landesinnenminister Herbert Reul (CDU) auf der Homepage seines Ministeriums ein geplantes neues Versammlungsgesetz für NRW. Doch der Entwurf, der bislang unter dem Radar der bürgerlichen Presse am 27. Januar in den Landtag eingebracht worden war, stellt laut Kritikern nichts anderes als ein „Versammlungsverhinderungsgesetz“ dar. Der Düsseldorfer Rechtsanwalt Jasper Prigge kritisiert ausdrücklich, dass der Entwurf im „Windschatten der Corona-Pandemie“ eingebracht wurde. „Ein Vorhaben mit dem CDU und FDP hoffentlich scheitern“, so Prigge weiter. Denn statt ein „freiheitliches und modernes Versammlungsgesetz“ zu schaffen, gehe es der Landesregierung offensichtlich darum, „Versammlungen zu erschweren“.
Nachdem bereits am Abend der Eingabe in den Landtag spontan rund 120 Menschen einem Protestaufruf der Sozialistischen Deutschen Arbeiterjungend (SDAJ) gefolgt waren, trotzten am vergangenen Samstag gleich über 300 Gegner des Vorhabens Regen und Kälte und nahmen an einer Eilkundgebung des antifaschistischen Bündnisses Köln gegen rechts unter dem Motto: „Nein zum neuen NRW-Versammlungsgesetz“ auf dem Rudolfplatz teil. Somit erreicht der Gesetzentwurf erstmal das, was er zukünftig verhindern soll: Er mobilisiert die Menschen zum Straßenprotest.
Der Auftaktredner des Bündnisses erklärte, man werde Ministerpräsident Armin Laschet, der seit dem 22. Januar auch CDU-Bundesvorsitzender ist, „in die Suppe spucken“, wenn er versuche, „in einer Napoleon-Allmachtfantasie“ das Versammlungsrecht zu „verschärfen“. Nach Klage der Kölner Initiative Kameras stoppen! hat das Verwaltungsgericht Köln die anlasslose Kameraüberwachung des Breslauer Platzes durch die Polizei vorläufig untersagt. Die Initiative sieht in dem Entwurf sogar den Versuch, „die Bürgerinnen dieses Landes zu disziplinieren und jede Form von außerparlamentarischer Opposition zu unterdrücken“.
Kriminalisierung von zivilgesellschaftlichen Bündnissen
Unter dem Schlagwort „Kooperation von Veranstalter und Polizei“ soll die Polizei künftig die Personalien von Anmeldern und Ordnern einer Kundgebung einholen dürfen. Vor dem Hintergrund von immer wieder aufgedeckten rechten Netzwerken in deutschen Sicherheitsbehörden berge diese Bestimmung erhebliche Gefahr besonders für zivilgesellschaftlichen Protest gegen rechts. So könnten über mit Rechtsextremen sympathisierende Beamte besagte Daten in die Hände von Neofaschisten und Rechtsextreme gelangen. Eine Befürchtung, die nicht von der Hand zu weisen ist, waren im vergangenen Jahr doch gleich mehrere Chatgruppen aufgeflogen, in denen Polizeibeamte rassistische und rechtsextreme Inhalte und Bilder ausgetauscht hatten.
Auch das sogenannte Uniformierungsverbot, das sich im neuen Entwurf nicht mehr ausschließlich gegen „paramilitärisches Auftreten“, sondern auch gegen ein Auftreten in „vergleichbarer Weise“ richtet, ist laut Redebeiträgen auf der Kundgebung wie gemacht für eine Kriminalisierung von Klima- und Umweltschützern wie von der Initiative Ende Gelände. Die hat in der Vergangenheit häufig in weißen Maleranzügen protestiert. Scharfe Kritik erfuhr schließlich auch das Vorhaben eines „Blockadeverbots“ das eine Strafe von bis zu zwei Jahren Haft vorsieht, wenn Störungen von beispielsweise neonazistischen Demonstrationen auch nur angekündigt werden. Hiermit versuche die Regierung gezielt, zivilgesellschaftliche Bündnisse, die rechte Hetze nicht widerspruchslos hinnehmen wollen, zu kriminalisieren.
Auch die „Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes – Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten“ (VVN-BdA) in NRW –1946 in Düsseldorf von Überlebenden der NS-Vernichtungslager und des Holocaust gegründet – übt in einer am Samstag veröffentlichten Mitteilung massive Kritik an dem Gesetzentwurf. Die Vereinigung sieht demnach „die Gefahr, in Zukunft nicht mehr gegen den aktuell immer stärker werdenden Rechtsextremismus demonstrieren zu können“. Besonders die Kriminalisierung „gewaltfreier Blockaden“ lehnt der VVN-BdA entschieden ab. „Gewinner“ des Gesetzentwurfs, so das bittere Resümee der Antifaschisten und Antifaschistinnen, „wären nur rechte Parteien und Gruppierungen“.
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