Die Organisatoren der Demo „#NichtMitUns – Muslime und Freunde gegen Gewalt und Terror“ konnten am Samstag auf dem Heumarkt ihre Enttäuschung über eine mäßige, viel geringer als erhoffte Beteiligung nicht verbergen. Das war auch verständlich, wenn man dann miterlebte, wie viel Mühe und Herzblut in der Versammlung steckte und wie wichtig sie denjenigen war, die aktiv daran teilnahmen. Manche Muslime waren aus der Region angereist. Die von stiller Polizei bewachte Menge vergrößerte sich allerdings laufend, auch als man beim eigentlichen einstündigen Friedensmarsch mit Rufen wie „Reiht euch ein, gemeinsam gegen Terror sein“ darauf abzielte, neugierige und gerührte Menschen auf den Bürgersteigen, die von einer Demo mit so vielen Muslimen überrascht zu sein schienen, unmissverständlich zur Teilnahme zu bewegen.
Ungewöhnlich viele Fotografen suchten ständig nach den besten Perspektiven, um möglichst viele der über 1000 Menschen mit aufs Bild zu bekommen. Ein Fressen für die Fernsehkameras war der musikalische Gruß aus der Kneipe in der Gürzenichstraße kurz nach dem Abmarsch: Die in Kölnfarben gekleideten Kneipengäste hoben die Stimmung, indem sie den Teilnehmern zu Lautprechermusik das Köln-Lied „Unser Stammbaum“ entgegensangen.
Organisatorin war die inzwischen recht bekannte Islamwissenschaftlerin und Reglionspädagogin Lamya Kaddor, die, wie sie Moderatorin Jacqueline Bakir Brader auf der Bühne erklärte, nur neun Tage Zeit hatte, die von Tarek Mohamad angeregte Kundgebung in die Wege zu leiten. Mit dem in der Presse zu verfolgenden „Hickhack mit islamischen Organisationen“ – jedenfalls mit einer Absage des auf dem falschen Fuß erwischten Ditib-Verbandes – hatte sie dabei nicht gerechnet. Ditib hatte in einer Pressemeldung vom 14.6. darauf hingewiesen, dass im Fastenmonat ein längerer Marsch in der Mittagssonne „unzumutbar“ sei, und sich über fehlende Absprache beklagt. Außerem hieß es, „Forderungen nach ‚muslimischen’ Anti-Terror-Demos“ seien eine „Form der Schuldzuweisung“ und würden die Muslime „stigmatisieren“.
„Ich glaube, es ist das falsche Signal gewesen, bei so einem Friedensmarsch nicht dabei zu sein“, kommentierte Kaddor nun unter einem komplett bewölkten Himmel. Der Zentralrat der Muslime habe sofort mitgemacht, ebenso wie die Ahmadiyya Muslim-Gemeinde, die Türkische Gemeinde Deutschland, die Kirchen und die Politiker. Sie könne „nicht verstehen“, warum insgesamt nicht mehr Leute gekommen seien, um das gemeinsame Anliegen noch einmal klarzumachen, für das es mehrfach viel Applaus gab: „Wir wollen niemanden in unseren Reihen wissen, der im Namen unseres Glaubens andere, unschuldige Menschen tötet.“
„Ich sage nein zu allem, was uns spaltet, verletzt oder tötet“, sagte auch Friedensaktivist Tarek Mohamad unter Verweis auf Bibel und Koran sowie auf das Grundgesetz. Man müsse derzeit „Vertrauen wieder aufbauen“ und „aufeinander zugehen“, derweil gebe es „gewisse Parteien“, die von Spaltung leben würden, und auch ein „rückwärtsgewandtes Religionsverständnis“.
Fatih Cevikkollu, der auch das Bündnis „Arsch huh“ vertrat, fand es in seinem Redebeitrag „eigentlich absurd“, dass man sich von Terroristen distanzieren müsse. Es sei aber wichtig, „ein Zeichen zu setzen“, für Leute, die nicht zu Unterscheidungen fähig seien. „Terroristen sind die, die ihren Arsch in Menschenmengen in die Luft jagen, die mit Lkws und Autos in Menschenmengen fahren und sie mit Messern angreifen, die nicht mal vor Kindern bei Konzerten halt machen. Es ist nicht mehr zu ertragen, und wir sind kurz davor, die Nachrichten über solche Mordanschläge als normal zu empfinden, wie Staumeldungen oder den Wetterbericht. Wir haben zu lange geschwiegen.“ Das Tagesmotto „Nicht mit uns“ machte er sich zu eigen.
Dr. Sadiqu Al-Mousllie aus dem Vorstand des Zentralrats der Muslime klagte erst einmal über die Presse, deren verbreitete Meldung „Muslime demonstrieren gegen Terror und Terrorismus“ nicht vermittelt hätte, dass Muslime nicht das erste Mal gegen Terror auf die Straße gingen – es fehle ein „wieder“. Auch andere Teilnehmer trauten der Presse nicht recht, die Muslime vorwiegend im negativen Kontext erwähne.
Verbände, die bei der Kundgebung nicht mitmachten, dürfe man nun auf keinen Fall in die Nähe von Terroristen rücken, so Al-Mousllie. Den Demonstranten gab er zugleich Rückdendeckung aus dem Koran. Er schien zudem Ditib zu widersprechen, das „solche Aktionen“ in der Stellungnahme als „nicht nachhaltig“ bezeichnet hatte: Die Teilnahme sei keine verschwendete Zeit, sondern „eine Investition in die Zukunft Deutschlands. Denn wir sind alle Deutschland.“ Zum Abschluss verurteile er die „Entführung“ der muslimischen Religion durch Extremisten, insbesondere die der Worte „Allāhu akbar“, die er als Gebetseröffnung verwende. „Das ist mein Wort! Und die Deutungshoheit gehört mir, nicht ihnen.“
„Ghettobraut“ Jiled Ayse war aus Berlin-Neukölln angereist und riet den Menschen dazu, sich für jeweils andere Gruppen einzusetzen und sich etwas von Muscheln abzuschauen: „Wenn ihr Angst habt, wenn ihr Aggressionen habt, ihr könnt daraus eine Perle machen.“
Dass der Ramadan für die Kundgebung ausgewählt wurde, erklärte Organisatorin Lamya Kaddor damit, dass Islamisten gerade den Fastenmonat gern für ihre Terroraktionen „karpern“ würden. „Diesen Anteil am Diskurs, dass wir über den Islam sprechen dürfen und nicht immer nur die Extreme – Islamhasser oder Islamisten – den holen wir uns zurück.“ Am Ramadan auf die Straße zu gehen, halte sie durchaus für zumutbar: „Wir arbeiten am Ramadan, wir machen Sport am Ramadan, wir können gefälligst auf die Straße gehen am Ramadan.“
Die islamische Zivilgesellschaft anderswo könne aus dem Kölner Beispiel hoffentlich Mut schöpfen, um mit rechtsstaatlichen Mitteln ebenfalls auf die Straße zu gehen. Als „Nebeneffekt“ helfe das auch, die Wahrnehmung zu korrigieren: „Es gibt durchaus demokratische Muslime, die hier leben wollen, die sich für Freiheit einsetzen, die sich gegen Gewalt einsetzen.“ Nach den Werten befragt, die ihr vor allem in der Erziehung wichtig erschienen, verwies sie auf die Gleichheit und die Würde aller Menschen und sprach sich für eine „bunte, plurale Gesellschaft“ aus, für die Menschen unanhängig von ihren Religionszugehörigkeiten einstünden: „Wir sitzen alle im gemeinsamen Boot!“ Jungen Menschen, die sich dem Islamismus anschließen wollen, müsse klar gemacht werden, dass sie damit ihren Platz in der muslimischen Gemeinschaft verlören. Sie müssten „an den Rand gedrängt werden“.
Eine ebenso emotionale Meral Sahin von der IG Keupstraße drückte zunächst ihr Bedauern über die Teilnehmerzahl aus. „Ich hätte mir gewünscht, wie beim Birlikte, dass Tausende von Menschen kommen.“ Zugleich brachte sie Verständnis dafür auf, dass manche nicht die Kraft und den Mut gehabt hätten, an dem Tag eine Sonderstellung einzunehmen. „Moslems haben einfach das Bedürfnis, mitten in der Gesellschaft zu sein.“ Erst recht würden sie nicht auf Aufforderung demonstrieren oder einen gefühlten „Kniefall“ abliefern: „Wir wollen nicht dazu gezwungen werden.“ Es sei aber wichtig, die Stimme zu erheben, und sie begrüßte in dem Sinne das mediale Interesse: „Endlich hört uns jemand.“ Ihre Botschaft: „Glauben bedeutet Frieden und nicht Krieg.“
Dem Friedensmarsch durch abgesperrte Hauptverkehrsstraßen voran rollte unter anderem mithilfe von Elfi Scho-Antwerpes und Dr. Al-Mousllie der große und reichlich schwere Stahlring „Engel der Kulturen“, der in den Boden eingelassen werden kann. Das in vielen Städten durchgeführte Kunstprojekt der Burscheider Künstler Carmen Dietrich und Gregor Merten solle, so Merten, dazu beitragen, „das Zusammenleben der Kulturen friedlich und versöhnlich zu gestalten“. Enthalten sind Davidstern, Kreuz und Halbmond.
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