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Selina Pfrüners Installation „Munaqabba – über Frauen in Vollverschleierung in Deutschland“
Foto: Katja Egler

Vollverschleierung porträtiert

27. Juni 2019

Ausstellung im Atelierzentrum Ehrenfeld sorgt für Proteste – Kunst 07/19

Munaqabba ist der arabische Begriff für eine Frau mit Gesichtsschleier. Davon gibt es verschiedene Formen, wie die Burka oder den Niqab, die sich darin unterscheiden, dass der Niqab die Augen nicht bedeckt, während die Burka ein Netzgewebe für die Augen hat. Mit den Personen hinter der Verschleierung beschäftigt sich eine Ausstellung im Atelierzentrum in Ehrenfeld. Selina Pfrüner ist Fotografin und Fotodesignerin. Gefördert vom Kulturamt der Stadt Köln hat sie die Multimedia-Ausstellung „Munaqabba – über Frauen in Vollverschleierung in Deutschland“ konzipiert. Außerhalb ihrer künstlerischen Arbeit fotografiert sie Porträts und Reportagen zu Themen wie Inklusion in Sport und Beruf, lebenslängliche Haftstrafen und katholische Priesterschlafzimmer.

Als am 21. Juni die Eröffnung stattfand protestierten 30 Frauen gegen eine Ausstellung über Vollverschleierung. Sie protestierten gegen die Unterdrückung der Frau und machten auf die Lage von Frauen im Iran aufmerksam. Dort gilt eine strenge Kleiderordnung: In den letzten zehn Jahren wurden rund 400.000 Frauen festgenommen und gefoltert wegen Nichtbeachtung der Vorschriften.


Fotografin Selina Pfrüner
Foto: Jan Sobierajskia

Aber auch schon vor Ausstellungseröffnung haben 60 Kölner Frauen einem offenen Brief an NRW-Kulturministerin Isabel Pfeiffer-Poensgen, das NRW Landesbüro Freie Darstellende Künste und das Kulturamt der Stadt Köln geschrieben. Unterzeichnet hat unter anderem die frühere Bundestagsabgeordnete Lale Akgün. Darin steht: „Diese Ausstellung propagiert die ‚Vorteile‘ der Vollverschleierung und zwar in diesem Rechtstaat, wo nicht die Schleier, sondern die Gesetze die Menschen schützen sollen. (...) Hier wird das in patriarchalischen islamischen Ländern existierende und angestrebte Frauenbild, das nach Deutschland getragen wurde, unkritisch und sogar positiv wertend wiedergegeben.“ Sie verweisen darauf, dass Frauen in islamischen Ländern oft bestraft werden und fragen, warum die Fördermittel nicht für „Projekte, die Migrantinnen bei Gewalt in der Familie und der Gesellschaft wirklich weiterhelfen“ benutzt werden.

Das Kulturamt begründet die Förderung dahingehend, dass die Ausstellung das Thema kontextualisiere, sich kritisch damit auseinandersetze und keineswegs eine Weltanschauung fördere.

Die Ausstellung zeigt Frauen, die sich vollverschleiern. Pfrüner hat sie interviewt und begleitet, um ihre Lebenswirklichkeit und die Frauen hinter den Schleiern kennenzulernen, aus „so einer diffusen Angst“ heraus, aber auch durch „Unverständnis den Frauen gegenüber“. Es werden lebensgroße Video-Portraits, mit denen einem die Frauen fast gegenüberstehen, und Audio-Beiträge präsentiert, die die Geschichte und Beweggründe der Frauen darstellen, aber auch etwa Fotografien der Kleidung, die Frauen unter der Vollverschleierung tragen. Alle gezeigten Frauen geben an, dass sie sich freiwillig verschleiern. Kritiker*innen wenden ein, dass keine Frauen zu Wort kommen, die sich nicht freiwillig verschleiern, sondern die gezwungen werden.


Selina Pfruener: Kleiderdarunter Blau, Vollverschleierung / Munaqabba
Foto: © Selina Pfrüner

Selina Pfrüner wurde in den letzten Tagen massiv bedroht und im Internet diffamiert. Gegenüber choices erklärt sie, es sei keine aktive Entscheidung gewesen, nur Frauen darzustellen, die sich freiwillig verschleiern: „Die Konzeption war nie, Freiwilligkeit zu zeigen. Das möchte ich ganz deutlich sagen. Die Konzeption war, Frauen, die in Deutschland Vollverschleierung tragen, zu treffen, zu interviewen, zu porträtieren. Und die Frauen, die ich *interviewt* habe, haben mir erzählt, dass sie es freiwillig tragen.“ Dies heiße nicht unbedingt, dass es nicht auch Zwang gebe, sie habe nur keine Frau mit solcher Geschichte getroffen.

Eine der Frauen, Amatullah aus München, erzählt in der Ausstellung ihre Geschichte und zeichnet ein anderes Bild – eines, indem sie sich von der Welt um sie herum bedroht fühlt und ihr Niqab ihr Schutz bietet. Sie erzählt von Diskriminierungen, die sie erfahren habe und sagt: „Ich fühle mich in meiner Person, in meinem Sein, auch Moslem-Sein, sehr diskriminiert. Das ist nicht so ein kleiner Part, wie man sich vielleicht denkt. (...) Der Körper ist ein Geschenk. Und wem ich dieses Geschenk mache, sollte ich entscheiden. Und nicht andere Leute. Das ist auch das, was ich am Islam liebe. Dieser Schutz auch der Frauen.“

Also Schutz durch Verschleierung statt Unterdrückung? Unfreiheit durch Verschleierungszwang, aber auch Verschleierungsverbote? Die Ausstellung lässt bei der Diskussion diejenigen zu Wort kommen, über die gesprochen wird. Das sei auch das Ziel Pfrüners gewesen: „Wenn man was darüber gelesen hat, haben sehr viele Leute was dazu gesagt, aber nie kamen die zu Wort, um die es eigentlich ging, weil ihnen entweder vorgeworfen wurde, dass sie sowieso unterdrückt sind oder manipuliert, oder sowieso nicht die Wahrheit sagen könnten oder wollen. Dann dachte ich, dass hat nicht viel mit Menschenwürde und Respekt mit seinem Gegenüber zu tun“, so Pfrüner.

Mit den Geschichten einiger Frauen in Deutschland, hat die Ausstellung nicht den Anspruch, die Geschichte aller Frauen zu repräsentieren. Pfrüner hätte sich gewünscht, dass vor den Protesten der Dialog gesucht worden wäre: „Wie der Autor nicht mit der Meinung des Protagonisten übereinstimmen muss, muss auch nicht der Künstler mit den Meinungen der Dargestellten übereinstimmen.“

Munaqabba – über Frauen in Vollverschleierung in Deutschland | bis 30.6., Di-Fr 16-20 Uhr, Sa, So 14-18 Uhr | Diskussion & Finissage: So 30.6. 15 Uhr | Atelierzentrum Ehrenfeld | 0221 29 49 69 59

Katja Egler

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