Die Pfarrerin Claire liegt auf einer Therapieliege und starrt an die Decke. Sie hat das Massaker eines rechtsradikalen, ausländerfeindlichen Jungen überlebt, während neun Chormitglieder an jenem Oktobertag aus dem Leben gerissen wurden. Irgendwann steht sie am Mikrofon und versucht Worte für das Unerklärliche zu finden und beschwört die Geister der bösen Tat. Und die betreten tatsächlich als Chor mit engelsgleichem Gesang die Bühne. Dass Claire im Gegensatz zum Chor noch lebt, ist allein der Tatsache geschuldet, dass der Attentäter, als er sie und eine weitere Sängerin im Musikzimmer fand, nur noch eine Kugel in der Pistole hatte und fragte: „Wen von euch beiden soll ich erschießen?“
Theaterchef Heinz Simon Keller inszeniert die Daniel Greigs Annäherung an das Unbegreifliche auf einer weitgehend leeren Bühne. Liege, das Mikro auf einem Ständer und etliche Perserteppiche wirken wie Flicken auf einer Wunde. Nachdem sich Markus Penne, der neben der Rolle des Jungen auch alle weiteren Rollen verkörpert, aus der theatralen Urgemeinschaft des Chores gelöst hat und in seine Rollen schlüpft, beginnt das kluge szenisches Puzzlespiel, das die Tat des Naziattentäters in ihre Aspekte zerlegt. Doch Claire (Susanne Seuffert) will die eine Wahrheit wissen und kämpft: mit dem Therapeuten, der will, dass sie das Geschehene verbalisiert; mit dem Führer einer Neonazi-Partei, der keine Verantwortung sieht und den Anschlag zugleich verurteilt und rechtfertigt; mit dem Jungen selbst, der sagt, er wolle Spuren in der Welt hinterlassen, wozu es nur zwei Möglichkeiten gebe: „Kunst oder Gewalt. Und ich war noch nie gut im Malen.“
Im Musikzimmer antworteten Claire und die Sängerin auf die Frage des Attentäters beide mit: „Ich.“ Und Claire, die Überlebende, zieht ihre Konsequenz und will einen neuen Chor gründen. „Glauben Sie, dass jemand kommen wird?“, fragt sie das Publikum. Sie will mit Kunst Spuren hinterlassen – auch im Gefängnis, wo der Attentäter sitzt. Spuren hinterlässt auch der Abend: Einerseits das grandios gut gebaute Stück von Greig, als auch die konzentrierte Inszenierung von Keller, die mit zwei fantastischen Schauspielern reüssiert.
„Die Ereignisse“ | R: Heinz Simon Keller | Sa 5.3., Sa 19.3., Sa 2.4. je 20 Uhr, Sa 13.3. 18 Uhr | Theater der Keller | 0221 31 80 59
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