Wem die blutrote Vitrine nebst Knochensäge, Schlachtengemälde oder andere Schrecken der „Napoleon und Europa“-Schau in der Bonner Kunst- und Ausstellungshalle der Bundesrepublik Deutschland zu viel geworden ist, der stellt plötzlich fest, dass ein Besuch der Toilettenanlagen des Museums vielleicht erst einmal für etwas Entspannung sorgen könnte. Im Untergeschoss muss er nämlich durch den Pyramidenraum und findet dort erstaunlicherweise erst einmal Medienkunst wie die Installation „Exodus # 3“ (2010) von Daewook Park, der den Raum mit Fäden bespannt hat. Direkt gegenüber hängen auf den ersten Blick Hochglanz-Modefotos. Hier stellt Daniela Risch Fragen zur eigenen Identität und Einzigartigkeit. Doch die Künstlerin hat sich nicht selbst abgebildet. Sie bat eine Schönheitskönigin gleichen Namens, sich in der Kleidung der Künstlerin, die ihr offensichtlich nicht passt, fotografieren zu lassen.
Der Toilettengänger befindet sich bereits mitten im Echoraum. Der ist eine Kooperation mit verschiedenen internationalen Medienhochschulen, bei der Studenten sowie Absolventen der Hochschulen ihre Projekte im Sinne eines Experimentallabors vorstellen. Momentan sind es Arbeiten von neun Künstlerinnen und Künstlern der Kunsthochschule für Medien in Köln, dort aus dem -1/MinusEins Experimentallabor von Mischa Kuball. Die breiten sich weit über das museale Untergeschoss der Bundeskunsthalle aus. Die Ausstellung begann bereits mit der Einladungskarte und dem Weg in den Untergrund. Im Grunde ist die Karte eine Arbeit von Alwin Lay, der fotografisch eine fiktive Eröffnungssituation inszeniert hat. Schon vor dem Gebäude wird der Besucher, auch der, der sich Napoleons Welt ansehen möchte, von Laura Popplow durch diverse Plakate mit Ratschlägen zur Entspannung im Befehlston irritiert. Die Videoarbeit „Ornament“ (2010) von Anna Sokolowa, die im Dezember noch über die Außen-LED-Wand der Bundeskunsthalle flimmerte, kann jetzt nur noch in einem kleinen DVD-Player dokumentarisch nachvollzogen werden. Sie untersuchte dabei, wie sich ein und dasselbe grafische Video-Element auf unterschiedliche Art und Weise in die Architektur einfügt oder sich ihr unterordnet.
Im eigentlichen Echo-Ausstellungsraum fällt der erste Blick dann auf einen schwarzen Turm aus 24 Lautsprechern. Céline Berger hat für ihre Arbeit „Release” (2010) 23 ehemalige Mitarbeiter des Halbleiterherstellers Qimonda AG nach der Insolvenz des Unternehmens aufgenommen. In Audiobeiträgen schauen sie auf ihr letztes Arbeitsjahr zurück. Ein Programm steuert die Audioabspielung, eine Komposition aus kurzen Zyklen, die eine Kontinuität des Zuhörens aber auch ständig unterbricht. Daneben hat sich aus Styroporblöcken Mobiliar manifestiert, und Fotos werden durch Aquarellpapier an die Wand gestrahlt. Daphné Keramidas untersucht so in ihrer Arbeit „Approches“ (2010) das Phänomen des Alterns und der Vergänglichkeit. Die Frage nach Fiktion und Realität stellt Anna Gonzalez Sueros in „Diary of a Cyberbabe“ (2010) in einem abgeschlossenen Extraraum mit einer Laptopinstallation. In einem Online-Sexspiel überlagert sie echte mit virtuellen Bildern, in denen stereotype Vorstellungen von Mutterschaft männlichen Phantasien aus der Spielwelt gegenübergestellt werden. Hier kann der interessierte Toilettengänger noch mal eine harmlose Computermaus in die Hand nehmen, bevor es wieder zum blutigen Schlachten bei Napoleon geht.
„ECHO 3“ I bis 27. März I Kunst- und Ausstellungshalle der BRD I 0228 917 10
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