Das muss man erst mal bringen: das Publikum für tot zu erklären. Aber die Premierenzuschauer sind boulevardkomödiengelaunt und mögen die Pointe gern, zumal sie vorher klug-witzig zum Thema „Authentizität“ aufgemischt wurden. Aber der Schwung, den dieser Prolog in den Abend reinbringt, bleibt zunächst trotzdem etwas müde und flach.
In Nis-Momme Stockmanns Drama „Die Ängstlichen und die Brutalen“ finden zwei Brüder ihren Vater tot auf und schaffen es nicht, mit der Leiche umzugehen, bis schließlich der eine den anderen erst fast erschlägt und dann langsam sterben lässt. Stockmanns Text nimmt nur langsam Fahrt auf, streift ein paar hoch symbolische Halb-Weisheiten über Tod, Leben und Angst – und gewinnt in der Bedrohung des einen Bruders durch den anderen und durch die rhythmisch arrangierte Sprache seine Qualität.
Regisseur Torge Kübler zieht dem Stück im theater der keller einen eigenen Rahmen ein, der manche Stockmann-Passagen erstaunlich stimmig in neuem Licht erscheinen lässt: Das gesamte Drama ist ein aufgedrehtes „Spiel im Spiel“ mit der vierten Wand – als wäre das Publikum gar nicht da. Einerseits wird altmodisch ein Vorhang nach dem anderen geöffnet, andererseits wird im weitesten Sinne Pop- und Diskurs-Theater draus, inklusive Diskussion über den Tod des Autors. Dass die beiden Brüder hier zu „Bühnenaffen“ werden, gibt dem Ganzen Fahrt und ist so lustig wie anstrengend. Jean Paul Beck spielt den Ängstlichen, der den Kontakt zum Publikum nicht abbrechen will (es gilt ja: Publikum = toter Vater), Robert Oschatz den Brutalen, der am Ende stirbt (also: ins Publikum gesetzt wird). Irgendwann hat man es kapiert: So tot ist man dann doch noch nicht. Aber dann schlägt der eine Bruder den anderen und diese Kombination von Müffelvorhängen in Gold, mit Rosen und Comics samt abgefahren-symbolischen Träumen gewinnt etwas bedrohlich Groteskes, das durch die Regie sorgfältig rhythmisiert wird. Der Abend wird seine Fans finden.
„Die Ängstlichen und die Brutalen“ | R: Torge Kübler | theater der keller | 1./13./14./ 27.-29.4., 20 Uhr | 0221 31 80 59 | www.theater-der-keller.de
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