Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
13 14 15 16 17 18 19
20 21 22 23 24 25 26

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„40 Leben"
Foto: © Meyer Originals

Universell Kölsch

25. September 2014

Navid Kermanis „40 Leben" im Theater der Keller – Theater am Rhein 10/14

Willkommen im Allerheiligsten! An der Rückwand einer Art Fanclub-Höhle prangt eine Tipp-Tabelle und in Kreideschrift „Hennes V", dazwischen ein gehörnter Schädel und rotweißer Schal. Der Altar davor ist üppig mit Heiligenstatuen, mehr oder weniger jecken Masken, FC-Reliquien und anderen lokalen Memorabilia dekoriert – ein Schrein der kölschen Quintessenz, vor dem sich in Andacht drei Männer und eine Frau versammelt haben. Das Paar und zwei seiner Freunde trauern jedoch nicht um den verblichenen Geißbock, sondern um einen zu früh aus dem Leben geschiedenen Thorsten. Man prostet einander zu und erzählt Anekdoten über den Verstorbenen, andere (flüchtige) Bekanntschaften und blickt sinnierend auf Begebenheiten in den eigenen Biografien.

Marcus Seibert (Bühnenfassung) und Heinz Simon Keller (Regie) haben Navid Kermanis Roman „Vierzig Leben" zu einem knapp anderthalbstündigen Geschichtenreigen ausgedünnt. Die mal skurrilen, mal bitteren Miniaturen überspannen eine Themenvielfalt von Rückenschmerzen bis Beziehungsproblemen, von Backgammon über Whisky-Konsum bis zu Adorno und scheuen auch vor heiklen Themen wie Vergewaltigung oder Kindstötung nicht zurück. Das alles ist explizit in Köln angesiedelt, doch die berüchtigte fröhliche oder melancholische Heimattümelei ergibt sich daraus nicht. Die Erzählungen erheben sich als Betrachtungen über das allgemein Menschliche vielmehr auf eine universelle Ebene.
Der dramaturgische Rahmen dafür ist schlüssig, die inhaltliche Komplexität und das Gewicht des analytischen Sammelsuriums hingegen bremsen eine Handlung im üblichen Sinn aus, so dass die Figuren auf der Stelle treten. Dass die Schauspieler immer wieder zu Tableaux vivants erstarren, ist insofern eine treffende Visualisierung. Sie müssen weniger interagieren und Konflikte austragen, als dass sie den wortgewaltigen, poetischen Text zu bewältigen haben – was ihnen durchweg gut gelingt. So überzeugt die Theateradaption handwerklich und macht neugierig auf ihre Vorlage. Dass dieser literarische Stoff allerdings unbedingt auf eine Bühne gehört, davon kann die Inszenierung nicht überzeugen.

„40 Leben – Kölner Geschichten" | R: Heinz Simon Keller | 11.10., 17.10., 25.10., 29.10. 20 Uhr | Theater der Keller | 0221 31 80 59

JESSICA DÜSTER

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Leben ist jetzt – Die Real Life Guys

Lesen Sie dazu auch:

Die Existenzkrise der Kunst
„Do not touch“ am TdK

Schussbereite Romantik
„Der Reichsbürger“ in der Kölner Innenstadt – Auftritt 01/25

Fluch der Stille
„Ruhestörung“ am TdK – Theater am Rhein 12/24

Biografie eines Geistes
„Angriffe auf Anne“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 11/24

Bis der Himmel fällt
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 09/24

Der Witz und das Unheimliche
Franz Kafkas „Der Bau“ am Theater der Keller – Prolog 08/24

Schöpfung ohne Schöpfer
Max Fischs Erzählung „Der Mensch erscheint im Holozän“ am Theater der Keller – Theater am Rhein 05/24

„Wir wissen nicht viel über das Universum“
Ronny Miersch inszeniert „Der Mensch erscheint im Holozän“ am TdK – Premiere 04/24

Einstürzende Bergwelten
„Monte Rosa“ am Theater der Keller – Prolog 02/24

Schleudergang der Pubertät
„Frühlings Erwachen: Baby, I‘m burning“ am Theater der Keller – Auftritt 11/23

Komik der Apokalypse
„Die Matrix“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 10/23

Sonnenstürme der Kellerkinder
1. Ausbildungsjahr der Rheinkompanie – Theater am Rhein 08/23

Theater am Rhein.

HINWEIS