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„Tür auf Tür zu“
Foto: MEYER ORIGINALS

Vor der Gesellschaft

28. März 2013

„Tür auf Tür zu“ im Theater der Keller – Theater am Rhein 04/13

Wenn der Deus ex Machina sich schon im dritten Akt ankündigt und dann als Weichei mit Wollmütze daherkommt, besteht nicht viel Hoffnung. Keine Chance also für Anneliz, die ihren Job verloren hat und nun heftig an der Tür zum Wiedereintritt in die Gesellschaft rüttelt. Sie durchlebt die ganze Klaviatur der Verzweiflung: Verschwörungstheorien, Selbstanklagen, Panik, Selbstmotivation, Depression – alles verpackt in die glitzernd-komische Phraseologie einer Fernsehspiel-Sprache. Fiona Metscher im rosa Kleid gleitet mit viel Witz durch diese Gefühlsachterbahn, zerfließt vor Selbstmitleid, lässt keinen Euphoriegipfel aus, zickt sich durch bissige Eifersüchteleien, spielt das gesellschaftliche Blenderspiel mit.

Die junge Frau ist die Hauptfigur in Ingrid Lausunds dramatischer Petitesse „Tür auf Tür zu“, das Pia Maria Gehle zum ihrem Abschied als Intendantin des theater der keller inszeniert hat. Ein Stück, das den Vorgang gesellschaftlicher Exklusion mit der Theaterwirklichkeit verknüpft: Neben dem Deus ex Machina gibt es einen Chor (Emanuel Fleischhacker), der aus Spargründen auf eine Einmannshow geschrumpft ist, ein ganzer Akt wird aus Zeitgründen gestrichen – und natürlich braucht jedes Theaterstück einen Konflikt: Widersacher von Anneliz ist eine leibhaftige Tür, die kaum mehr zu sagen hat als „Die Tür geht auf. Die Tür ist zu.“ Sie lässt zwar alle möglichen Leute passieren, Teenies, Alkoholiker, reiche Leute, nur eben nicht Anneliz. Philipp Sebastian in Anzug und mit weißen Handschuhen spielt diesen Portier an der Einlasspforte zu den mittleren Etagen der Gesellschaft mit stoischer Geduld.

An ihm ist kein Vorbeikommen, da hilft kein Strip, auch kein veritables In-den-Arsch-Kriechen – in seiner Unerbittlichkeit lässt er an Kafkas Türsteher in „Vor dem Gesetz“ denken. Pia Maria Gehle inszeniert das mit leichter Hand auf der nur mit einem blauen Vorhang und Notbeleuchtung ausgestatteten Bühne von Anja Kreher, sie überfrachtet das Stück nicht, lässt die Schauspieler alle Register ziehen bis zur Charge – insofern ist diese Inszenierung neben ihrem Farewell vor allem eine Feier des Darstellers auf der Bühne. Das Theater ist tot, es lebe das Theater.

„Tür auf Tür zu“ von Ingrid Lausund | R: Pia Maria Gehle | Theater der Keller | 6./7. (18 Uhr)/9./10./30.4. 20 Uhr | www.theater-der-keller.de

HANS-CHRISTOPH ZIMMERMANN

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