Die Bohnen sind schuld. „Meine Bohnen!“, ruft Amelie Barth immer wieder und wälzt sich mit einer Ranke über den Boden, zieht sie zu sich heran und scheint mit ihr zu verschmelzen. Was zunächst als Liebeserklärung an die Natur klingt, wandelt sich zur brutalen Inbesitznahme: „Meine Vögel. Meine Fichte, meine Luft – das alles gehört mir!“ Totalitäre Verfügungsgewalt über die Natur, die sich sogar in Gier wandelt, wenn Amelie Barth schmatzend beim Essen auf einem Screen zu sehen ist.
Regisseurin Elsa Weiland und das Krux Kollektiv haben die Bibel der Naturbeschwörung, Henry D. Thoreaus „Walden“, dramatisiert und (coronagerecht) zu einem Monolog destilliert. Schon die Aufnahmen von Straßenpflaster zu Beginn machen klar, worum es geht: Reziprok zur fortschreitenden Verstädterung wachsen die Idealisierungen der Natur und des Klimas. Mit der eigenen Entfremdung wachsen die Sehnsüchte. Die junge Frau in grünen Hosen und Shirt „erwacht“, die Glieder regen sich und schon keimt der Wunsch „Ich will tief leben“ – dafür muss dann die sowieso allgegenwärtige zweite Natur herhalten: Zwei herabhängende Bündel mit je acht Holzlatten werden aufgebunden, ein Birkenstämmchen zum lächerlichen Tanzpartner ernannt.
„Lassen Sie die Gesellschaft nicht aussterben“
Elsa Weiland mischt geschickt Text und Video, um die höchst ambivalente Naturbeschwörung zu bebildern. Mitunter wünscht man sich etwas zwingendere Tanzsequenzen, doch dann wird man versöhnt durch ein paar bissige Bilder. So wenn Amelie Barth den Ästhetizismus der Natur beschwört und alles mit trotziger Stimme als „schön“ bezeichnet. Da wird in einem Bild die ganze vertrackte Beziehungsgeschichte des Naturschönen und der Kunst heraufbeschworen.
Oder wenn am Ende aus dem Umzug in die Natur eine Verkehrung der Verantwortung wird: Amelie Barth bittet in einer dramatischen Rede den Wald um Mithilfe: „Lassen Sie die Gesellschaft nicht aussterben. Sie müssen uns helfen. Unser Leben liegt in Ihren Händen!“ Die Wiederbelebungsversuche am Bühnenboden lassen sich vielfältig deuten – geht da eher der Natur oder doch der Kunst die Luft aus? Oder ist die Rettungsaktion eine Reaktion auf das „I can't breathe“ einer zwischen Klimaleugnung, Rechtsradikalismus und Rassismus trumpisierten Gesellschaft? Ein kleiner feiner einstündiger Abend.
Walden | R: Elsa Weiland | Termine nach Ankündigung | Studiobühne Köln | 0221 470 85 13
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