Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
25 26 27 28 29 30 1
2 3 4 5 6 7 8

12.581 Beiträge zu
3.810 Filmen im Forum

„du sollst begehren!“ (l.), „für B.“, Sylvia Dölz
Foto: Thomas Dahl

Unzählige Schattierungen

15. Juni 2023

„Weiß“ im Kunstraum Grevy – Kunst 06/23

„Weiß ist der Vorname der Zeit“, schreibt Botho Strauß in seinem Buch „Die Fehler des Kopisten“ (Hanser Verlag, 1997). Die aktuelle Ausstellung im Kunstraum Grevy ist eine Hommage an jenes Bildnis, spielt jedoch auch mit den der Farbe zugrunde liegenden Klischees von Reinheit und Unschuld. Wie ihr Bruder Schwarz wird auch Weiß von manchen Apologeten nicht als Farbe erachtet. Dieser Sichtweise erteilt die Werkschau eine facettenreiche Absage, sind dem Kolorit doch unzählbare Schattierungen, Übergänge und Reflektionsarten zu eigen. Die Naturwissenschaft beweist, dass alle anderen Farben erst durch die Absorption des weißen Lichts für das menschliche Auge wahrnehmbar sind. Als „Ur-Farbe“ steht dem einsilbigen Neutrum daher ein angemessener Raum zu – so die Überlegung der Initiatoren.

Rund 50 Werke huldigen jenem visuellen Ausdruck nun in Malereien, Fotografien, Videoinstallationen, Drucken und Mischtechniken. Dabei gelingt den Schöpfer:innen eine bildreiche Symphonie der Ästhetik, die sich nicht nur in Wohlgefallen äußert. Im Gegenteil – zeigt sich die Ausstellung auch von ihrer dunklen Seite, denn der Kontrast ist im Angebot inbegriffen. So versinnlicht Norberto Luis Romeros digitale Serie „Die Liebe des Herrn“ die Zuneigung der Katholischen Kirche (und ihrer auf Wolken schwebenden Patriarchen) als körperlich wie seelisch schmerzhafte Umarmungen mit der Peitsche auf nackter Jünglingshaut. Hier steigt die Scheinheiligkeit der Herrscherdynastie „Christentum“ in ungeahnte Höhen. Die Inhaftierung oder das Ausbrechen der Sexualität vollzieht sich dagegen in Sylvia Dölz' Objektkästen und „befleckten“ Papiercollagen. Daraus resultierende Sonnenuntergänge der Seele füllt Matthias Hloucha im Zuge seiner geometrischen Raster-Grafiken wieder mit Licht, das sich schon nach kurzem Aufenthalt vor den Drucken auszudehnen scheint. Die Trauer über den Verlust seiner Schwester verarbeitet Alo Schmitz mit modifizierten Schwarz-Weiß-Grafiken über die Schönheit seiner Stadt, der er melancholisch-symbolisch die Farbtöne entzog. Als innerer Schrei oder sakral-anmutende Stille webt susebee die Lettern w-e-i-ß in ihre Werke. Eher subtil klingen in den Arbeiten Religion und Skeptizismus an. Geradezu als körperlich fühlbare Komponente der Matrix eines gleißenden Universums offenbaren sich die Fotografien von Ralf Kardes, während die Objekte von Bernd Straub-Molitor taghelle Erinnerungen verwischen und somit auch die Gegenwart nur vage beleuchten. (td)   

Weiß – Sieben Positionen zur Mutter aller Farben | bis 23.6., Do + Fr 15-19 Uhr, Sa 12-16 Uhr u.n.V. (Finissage: 18-21 Uhr) | Kunstraum Grevy | www.grevy.org

Thomas Dahl

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Vaiana 2

Lesen Sie dazu auch:

Vorwärts Richtung Endzeit
Marcel Odenbach in der Galerie Gisela Capitain – Kunst 11/24

Außerordentlich weicher Herbst
Drei Ausstellungen in Kölner Galerien schauen zurück – Galerie 11/24

Lebenswünsche
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln – Kunst 09/24

Die Absurdität der Ewigkeit
Jann Höfer und Martin Lamberty in der Galerie Freiraum – Kunstwandel 08/24

Unser Körper in Schichten
„Körperwelten & Der Zyklus des Lebens“ in Köln

Tage des Schlafwandelns
„Übergänge des Willens“ im KunstRaum St. Theodor – Kunstwandel 07/24

Das Gewicht der Gedanken
„scheinbar schwerelos“ im Zündorfer Wehrturm – Kunst 06/24

Suche nach Menschlichkeit
Burkhard Mönnich in der Galerie Martinetz – Kunst 05/24

Steigen, Verweilen, Niedersinken
Nadine Schemmann mit zwei Ausstellungen in Köln – Kunstwandel 05/24

Das Verbot, sich zu regen
„Es ist untersagt ...“ von Frank Überall im Gulliver – Kunstwandel 04/24

Makroproteste in der Mikrowelt
Agii Gosse in der Galerie Landmann-31 – Kunstwandel 03/24

Expansion in die Löwengasse
Kunstraum Grevy eröffnet Pop-Up-Store „Grevy Satellite“ – Kunst 02/24

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!