Schon beim Betreten der artothek wird klar: Hier ist der Name Programm. Der Raum ist leer – bis auf einen Büroschreibtisch. BesucherInnen gibt es viele an diesem Abend der Ausstellungseröffnung von Stefanie Klingemann. Aber wer nach Skulpturen, Gemälden (außer die hauseigenen) oder sonstigen „künstlerischen“ Gegenständen sucht, wird nicht fündig. Und gerade da beginnt die Installation zu wirken. Denn „Sparen“ beweist gerade das: Ist weniger wirklich mehr? Ist dieser Zwang, Rücklagen zurückzuhalten, Ausgaben einzudämmen und Investitionen zu reduzieren wirklich sinnvoll? Und vor allem: Macht er glücklich? Den Deutschen, die ja nicht unbedingt als Glücksweltmeister bekannt sind, wird nachgesagt, ganz vorbildlich beim Thema Sparen zu sein. Weiterführende Lektüre dazu bietet übrigens auch die „Bild-Zeitung“, die sich in der obersten Schublade des Schreibtisches befindet.
Wenn der Blick über dieses bürokratische Möbelstück geschweift ist, wandert er meist hoch zur Decke. Sie steht für Sparzwang par exellence: Im Zuge der steigenden Ölpreise und Energiekosten in den 80er Jahren wurde in vielen Gebäuden damals die sogenannte „Energiespardecke“ angebracht, die dämmend wirken und den zu beheizenden Raum verkleinern sollte. „Sparen ist ein Thema, das immer Gültigkeit behalten wird“, leitet Astrid Bardenheuer, die Künstlerische Leiterein der artothek, den Abend ein. „Und es stellt sich immer die Frage: Was ist am Ende der Gewinn für den Verzicht?“
Das diskutiert auch die anwesende Künstlerin Stefanie Klingemann im Dialog mit Sabine Elsa Müller, die den alten Raum „schon sehr vermisst“ und bedauernd über die zahlreichen verhängten Stuckdecken sinniert. Klingemann hat mit ihrer Arbeit den Nagel auf den Kopf getroffen. „Der erste Eindruck war der eines Büros“, so Müller. „Der Kulturbereich ist ja immer vom Sparzwang betroffen und hier wird deutlich, wie fürchterlich das Sparen am falschen Ende ist.“
Klingemann kommentiert ihr Werk mit der Mischung aus Ernst und Humor, die charakteristisch für ihre Arbeit ist: „Sparen ist auch nicht schön.“ Und zeigt sich begeistert von ihrem Ausstellungsraum: „Die artothek war schon immer ein Ort des Wandels. Dass hier vorher die Stadtbibliothek drin war und das Gebäude somit ein Vorreiter des Sharing-Konzepts, ist intensiv in meinen Arbeitsprozess mit eingeflossen.“
Im Gespräch kommen auch lokale Themen wie der Ebertplatz zur Sprache. „Als das Herzstück, die wasserkinetische Figur ausgeschaltet war, da schwamm die fehlende Energie über den Platz“, beschreibt Klingemann das Gefühl. „Egal in welchem Rahmen – der Kunst ist immer Kraft zuzuschreiben.“ Es gehe um Wertschätzung und Lebensqualität. „Kulturelle Teilhabe ist ein absolutes Grundrecht und das Letzte, woran gespart werden sollte.“ Das gelte für die Stadt Köln, aber auch global. „Die westliche Welt hat so viele Ressourcen: Zugang zu Lebensmitteln, Trinkwasser und Bildung“, erläutert die Bildhauerin. „Aber mit dem Sparzwang schaffen wir Missverhältnisse. Teilzeit-Gehalt für Vollzeit-Arbeit, beengende Räume et cetera.“ In den meisten Fällen würde das Probleme nicht beheben, sondern nur verschieben.
Der Ebertplatz ist trotz Eislaufbahn und Lichterkette seine Problemzonen nicht losgeworden. Sparende BürgerInnen können sich nicht auf einen komfortablen Lebensabend verlassen. Klingemann plädiert mit ihrer Arbeit für mehr Kunstvermittlung, für mehr Austausch und Möglichkeiten zur Entfaltung. Bewusste Nutzung, gemeinsame Teilhabe und Freude am Bestehenden seien viel effektiver als rationierende Notlösungen. Mit der Energiespardecke – die aus einem Büro-Gebäude in Deutz herausgeschnitten und somit recycelt wurde – verwandelt Klingemann die artothek nicht nur in ein Beispiel guter Wärmedämmung, sondern auch in einen Appell für das Leben im Hier und Jetzt.
Stefanie Klingemann: Sparen | 10.1.-23.2. | Di-Fr 16-19 Uhr, Sa 13-16 Uhr | mittwochs 13-14 Uhr „Beratung“ mit Künstlerin | arthothek – Raum für junge Kunst | 0221 221 223 32
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