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Wirklichkeit in der Kunst

29. April 2011

Ausstellungen mit Vija Celmins und Karl Arnold – Kunst in Köln 05/11

Lange galt Vija Celmins als Geheimtipp. Ihre erste Einzelausstellung in Europa fand erst 1995 statt, mit 57 Jahren. Mit ihren dunklen, fast Schwarz in Schwarz gemalten, oft eher kleinen Bildern behauptet sie eine bemerkenswerte einzelgängerische Position. Ihre Motive entstammen den unberührbaren Naturräumen, die sie beharrlich und mit unbestechlichem Blick immer und immer wieder neu erfasst.

Vija Celmins wurde 1938 in Riga geboren, mit zehn Jahren kommt sie mit der Familie nach Amerika, seit 1980 lebt sie in New York. Bereits in den späten 1960er Jahren findet sie zu den Themen und der Darstellungsform, die sie auch heute noch in Malerei, Zeichnung und Druckgrafik beschäftigen. Die Techniken in ihren Nuancen auslotend, zeigt sie minutiös, sozusagen hyperrealistisch, Meeresoberflächen, Sandflächen der Wüste, das Sternenzelt am Himmel sowie Spinnennetze in Ausschließlichkeit, also als All-Over, das über das Format hinaus geht und entgrenzt ist. Vija Celmins geht dazu von s/w-Fotografien aus, die sie über lange Zeit hinweg bearbeitet und unter großem Aufwand und voller Innigkeit in Malerei und Zeichnung verwandelt. Die Intensität, die dabei zum Ausdruck kommt, lässt sich eigentlich gar nicht reproduzieren. Es gehe ihr darum, hat Vija Celmins in einem Interview gesagt, „eine physische Präsenz jenseits der Idee“ zu erreichen. Mit solchen Bildern, die sachlich immer Gleiches und doch immer anderes festhalten und in denen das Auge wenig Halt findet, feiert Vija Celmins die Natur als unerreichbare, autarke Ereignisse, die sich nie erschöpfen und alle Aufmerksamkeit erfordern; ihre Malerei ist sinnlich und hochgeistig zugleich. Es ist also eine kluge Entscheidung, diese Künstlerin in Köln auszustellen.

Ein anderer Realismus
Auch in den Zeichnungen von Karl Arnold (1883-1953) geht es um die Wirklichkeit und deren präzise Erfassung. Heute ist Arnold ein schon fast historischer Künstler, den man durchaus wiederentdecken darf. Obgleich so verschieden von Celmins, eint ihn mit ihr die Hinwendung zum Realismus. Auch seine Bilder kennzeichnet der sezierende Blick und das Beharrliche. Aber Karl Arnold war zwischen den Kriegen Pressezeichner mit den dazugehörenden Themen. Er geht zunächst schnell und ohne Umschweife vor. Die Skizze bildet den Ausgangspunkt, sie eignet sich zur Beobachtung im städtischen Raum: Alle Aufmerksamkeit gilt hier den menschlichen Verhaltensweisen, die noch Rückschlüsse auf die Gesellschaft zulassen. Und seine Zeichnungen bestehen aus dem Zueinander von Umrisslinie und Fläche, sind verknappt und gewinnen daraus ihre Pointiertheit.

Wie das zu verstehen ist und wer Karl Arnold überhaupt war, das verdeutlicht nun eine Ausstellung im Käthe Kollwitz Museum. Das Haus am Neumarkt positioniert Arnold im Kontext seiner Zeit, indem es auf die „Hausherrin“ verweist, die politische Zeichnerin und Bildhauerin Käthe Kollwitz. Karl Arnold hat zur gleichen Zeit vorübergehend in der gleichen Stadt wie Kollwitz gearbeitet: Im Berlin der 1920er Jahre hielt er sich regelmäßig als Karikaturist und journalistischer Zeichner auf – auf diese Periode konzentriert sich die Ausstellung in einer Übernahme aus der Berlinischen Galerie.

Karl Arnold der als Zeichner der Zeitschrift „Simplicissimus“ in München sein Handwerk und den unbestechlichen Blick geschärft hat, geht im Gegensatz zu Kollwitz aber nicht veristisch vor. Er klagt nicht an und er dringt nicht in den Ausdruck des Gesichtes ein, sondern er reduziert, zeigt Oberflächen und thematisiert diese Oberflächlichkeit seiner Zeit. Seine Arbeiten sind Gesellschaftssatire und Kommentierung politischer Tendenzen. Mit seinen Titeln und Textzeilen legt er den Finger noch in die Wunde, mit einem Schuss Humor, etwa wenn er Frauen mit Bubikopf und spitzem Kinn oder Männer mit dickem Bauch und steifem Hut zeichnet. Aber er nimmt die Menschen als Individuen ernst und geht deren Nöten, auch im Alltag nach. Und er behält sich die Münchner Perspektive auf die Berliner Verhältnisse. „Diese Stadt ist so lustig verrückt“, schreibt er 1923 an Alfred Kubin. Seine Zuspitzungen sind gekonnt, tatsächlich aber liegen ihnen aufwändige Verfahren in der Übertragung der Skizze vor; teils hat er seine Bilder noch koloriert. Doch am stärksten sind die Federzeichnungen: Es sind die Themen, die den Stil und die Ausdrucksmittel bedingen. Auch das hat dieser sonst so verschiedene Künstler mit Vija Celmins gemeinsam.

Vija Celmins – „Wüste, Meer & Sterne“ I bis 17.6. I Museum Ludwig I 0221 22 12 61 65

Karl Arnold – „Hoppla, wir leben!“ I bis 22.5. I Käthe Kollwitz Museum I 0221 227 21 70

THOMAS HIRSCH

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