Was für eine Ausstellung könnte dem 100-jährigen Jubiläum und der Wiedereröffnung eines Museums angemessen sein? Müsste sie nicht aus den eigenen Sammlungsbeständen originell zusammengestellt sein, diese repräsentieren und dabei leicht und anregend ihr Thema vermitteln? Auf die Schau „Von Istanbul bis Yokohama“ trifft all das zu. Nach einer recht langen Phase der Renovierung zeigt das Museum für Ostasiatische Kunst nun erstmals die historischen Fotografien, die der Museumsgründer Adolf Fischer und seine Frau auf ihren Reisen nach Ostasien erworben haben. Ausgestellt sind rund 350 Fotografien des 19. Jahrhunderts, die sich den Stationen der Schiffsroute von Istanbul über Ägypten und Singapur bis nach Japan und China widmen – sie stellen ein Drittel der Museumssammlung mit Aufnahmen aus einer Zeit dar, als die Fotografie eine aufwändige Pioniertat war. Adolf Fischer hat ihr übrigens eine praktische Bedeutung zugesprochen: „Eine Reisebeschreibung ohne Bilder ist heute ein Unding, interessiert niemanden. Dies ist nun einmal der Zug der Zeit, und es ist recht so, denn das Bildchen veranschaulicht wunderbar das geschriebene Wort.“ (1898)
Voraussetzung für diese Fotografien war die Öffnung des Suez-Kanals 1869: Von nun an konnten die Touristen, Globetrotter und Handlungsreisenden verhältnismäßig schnell und sicher mit dem Dampfschiff nach Ostasien fahren. Es gab feste Anlegestationen, zugleich stieg die Anzahl der Reisenden rasant, und zwischen Istanbul und Yokohama wurden Hotels gebaut. In der Folge siedelten sich professionelle Fotografen und Fotostudios in diesen Städten an. Ein wichtiger Hintergrund für das technische Know-how der Fotografen ist die jeweilige Kolonialgeschichte mit dem Kontakt der Bevölkerung mit Europa und umgekehrt. Als erstes kam die Daguerrotypie nach Asien; Mitte des 19. Jahrhunderts folgte das Verfahren der Kalotypie von Fox Talbot. Die Albumin-Abzüge, die wir jetzt in der Ausstellung sehen, sind ausgesprochen scharf und tadellos erhalten. In ihrem Sepiabraun und dem tonigen Weiß wirken sie heute nostalgisch, geheimnisvoll und sinnlich. Hinzu kommt, dass sie mitunter zart koloriert wurden und die Reisenden sie zuhause in Alben zusammenfassten – auch davon gibt es Beispiele in der Ausstellung. Gegliedert nach den Reiseorten, sind die häufigsten Motive Porträts, Ruinen und Stadtansichten, mitunter vom Meer oder einem Berg aus. Neben den Auftragsfotografien der Reisenden (wobei einige sich ohne Skrupel mit den Leichen enthaupteter Häftlinge fotografieren ließen) sind Berufsstände in ihrer lokalen Umgebung und posierende Stammesfürsten in ihrer Tracht porträtiert. Weiterhin wurden Fotografien mit religiösen Ritualen oder etwa einer Bootsfahrt eines Maharadschas angeboten.
Die Fotografien dienten als Souvenir und Erinnerung, auch als Bezeugung, tatsächlich etwas erlebt zu haben, und sie tragen bis heute zur Wissensvermittlung und zur Verständigung mit den fremden Kulturen bei. Vielleicht liegt darin auch ein besonderer Wert dieser Aufnahmen: Sie liefern wesentliche Informationen zu den damaligen gesellschaftlichen Strukturen in den verschiedenen Ländern und zeigen erstmals die Meisterwerke der Baukunst – die Kaaba in Mekka, das Taj Mahal in Indien, Borobudur auf Java und die Tianning-Si-Pagode bei Peking. Umgekehrt teilen sie mit, wie das, was heute museal ist, im Alltag gebraucht wurde. So steht eine Sänfte aus Taiwan im Ausstellungsraum, während auf den Fotografien an der Wand Rikschas im Straßenbild zu sehen sind. Überhaupt wäre auch einiges zu den Objekten und Malereien zu erwähnen, die hier noch ausgebreitet sind und den Reihen an Fotografien erst den Resonanzraum geben. Gemeinsam mit den begleitenden Veranstaltungen tragen sie zum edlen, würdevollen Look dieser Premieren-Ausstellung bei.
„Von Istanbul bis Yokohama. Die Reise der Kamera nach Asien 1839-1900“ | bis 7.9. | Museum für Ostasiatische Kunst | 0221 22 12 86 08
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