Das MAKK hat sein Jahr der Architektur mit einem Crossover der Künste eröffnet. Als Ouvertüre, die bis April zu sehen ist, stellt das Museum an der Rechtschule Werke des Düsseldorfer Objektkünstlers Wasa Marjanov aus, der eine anregende Position zum Verhältnis der freien und angewandten Gattungen vertritt, bei der Kunst, Design und Architektur zusammenfinden. „Von Aalto bis Zumthor“ nun, die erste Wechselausstellung in diesem Jahr, wendet sich einer etwas anderen Perspektive zu. Sie zeigt Möbel aus der Feder von Architekten des 20. Jahrhunderts, die in erster Linie als Baumeister tätig sind. Die erste Erkenntnis: Es ist erstaunlich, wie viele der bedeutenden Architekten auch Mobiliar entworfen haben. Dazu gehören Frank Lloyd Wright, Le Corbusier, Walter Gropius, Zaha Hadid, Peter Zumthor – ausgestellt sind im MAKK Objekte von insgesamt 53 Architekten.
Aber warum entwerfen so viele Architekten Möbel, und das seit etwa 100 Jahren? „Der Architekt ist zum Generalisten prädestiniert“, erläutert Gabriele Lueg, die Kuratorin dieser sorgsam konzipierten Ausstellung. Und es gäbe erst seit den 1950er Jahren den Beruf des Produktdesigners. Gewiss ist es das Ziel der Architekten und ihrer Auftraggeber, die äußere Gestalt des Bauwerks auch im Innenraum aufzugreifen und in homogener Form fortzusetzen. Folglich gibt es ganze Zimmer, die von Architekten entworfen wurden; in der Ausstellung ist dazu die Einrichtung eines Zimmers von „Haus Koller“ von Josef Hoffmann zu sehen. Die Frage nach der Einrichtung aber stellt sich oftmals dann ganz direkt, wenn ein Architekt eine Familie gründet und das eigene Heim gestaltet. Und schließlich gibt es mit dem Stararchitekten mittlerweile einen populäreren Typus des Baumeisters, der wie eine Stilikone zum Entwurf von Objektdesign durch große Hersteller eingeladen wird.
Die Haltung des Architekten
Umso mehr spricht der Rundgang durch die Ausstellung mit ihren Stühlen, Sesseln, Tischen, Schränken, Regalen die Identität mit der architektonischen Handschrift an. Mehr als einmal kann man ein vertracktes Sampling zwischen den Gattungen feststellen. Aber inwieweit werden hier die jeweiligen Zeitstile berührt, und wie hält es der Architekt-Designer mit der Praktikabilität? Natürlich ist Josef Hoffmanns Liegefauteuil „Sitzmaschine“ (1904-06) noch vom Jugendstil geprägt, und zweifelsohne schwingt beim „Sessel. Mod. F 51“ von Walter Gropius (1920) die Idee des Bauhauses mit. Ausgestellt sind gleich mehrere Stühle von Frank Gehry zwischen 1972 und 2004, die sein Faible für ungewöhnliche Materialien (Wellkarton, Ahorn, Recycle-Aluminium) und überraschende funktionale Lösungen widerspiegeln, in unterschiedlichen Phasen seines Werkes also und gewiss auch seines Lebens – man könnte das jetzt mit seinen Bauten (und deren Materialien) vergleichen. Weiterhin zeigt die Ausstellung Möbel, die mutig die Grenze zur Skulptur überschreiten und mehr Objekt als Gebrauchsgegenstand sind, etwa von COOP Himmelb(l)au den „Vodöl“ (1988) als Sessel über einem schräg aufsteigenden, blau gestrichenen T-Träger, wobei die lindgrüne Sitzfläche wieder in der Horizontalen verläuft. Damit stellt sich die Frage nach der Anzahl der produzierten Stücke (ob etwa ein Prototyp in Serie gegangen ist) und damit ihrer Seltenheit. Ausgestellt sind wichtige Klassiker wie der Stuhl „Superleggera“ von Gio Ponti oder der „Ulmer Hocker“ von Bill/Gugelot. Der „Schreibtisch mit Drehsitz“, den Frank Lloyd Wright um 1904 für ein Verwaltungsgebäude in Buffalo entworfen hat, gehört zu den kostbarsten Stücken – er ist, wie viele andere der Exponate, im Besitz des MAKK. Er steht im Sammlungsbereich im Erdgeschoss, dort wo er immer steht. Neben der chronologisch orientierten Präsentation im Grafikraum und in der großen Halle gibt es also Satelliten der Ausstellung: eigene Möbelstücke, die in den verschiedenen Abteilungen im Haus verteilt sind
Eine Qualität der Ausstellung ist es, dass sie nicht nur für das Besondere der einzelnen Möbelstücke sensibilisiert und zugleich die chronologischen Zusammenhänge herstellt, sondern auch analoge Gegenstände nebeneinander präsentiert und so das jeweils Einzigartige als spezifische Haltung des Architekten herausarbeitet. Nirgendwo ist dies besser zu sehen als in der Reihe kubischer Sessel in der Ausstellungshalle. Während Oswald M. Ungers seine strenge Konzeption des Kubus und der nüchternen Gleichmäßigkeit auch hier durchhält, finden Alison und Peter Smithson zu einer latent variierenden, dadurch fast spielerischen Lösung, die auf schrägen Teilungen an der Symmetrieachse beruht. Norman Foster bleibt bei seinem „Foster 501“ sachlich elegant, wohingegen Hadi Teherani – der hier noch mit Teppichen vertreten ist – eine überbreite Sitzfläche mit extrem dünnen Lehnen kombiniert und dabei die Füße verschwinden lässt, so dass der Sessel zu schweben scheint, bei seinem Modell „T-RAY“.
Irgendwann taucht die Frage nach dem „rechten“ Sitzen auf – und verfolgt man diese Spur (der im schönen Katalogbuch ein eigenes Kapitel gewidmet ist) in der Ausstellung weiter, so zeigt sich, wie sich im Laufe eines Jahrhunderts die Ansprüche an die orthopädische Angemessenheit und die Bequemlichkeit gewandelt haben. Möbeldesign ist eine eigene Kunst, die den Menschen im Blick hat, beziehungsweise haben soll. Das hat sie mit der Architektur gemeinsam, und auch deshalb ist die Sensibilität des einen Genres prädestiniert für das andere.
„Von Aalto bis Zumthor: Architektenmöbel“ I bis 22. April im Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule, Köln I www.makk.de
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