Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
18 19 20 21 22 23 24
25 26 27 28 29 30 1

12.582 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

Sitzgruppe, Togo, ca. 1982, Teak-Holz, Geschenk von Gnassingbé Eyadéma an Karl Carstens, Februar 1982
Foto: Patrick Schwarz © Rheinisches Bildarchiv

Knigge für Süßwasserzierfischliebhaber

26. Juni 2019

Staatsgeschenke im RSJ – Kunst 07/19

Masken können der Vermummung oder Verkleidung dienen, ihre Wurzeln haben sie vor allem in religiöser beziehungsweise spiritueller Handlung. Doch sie sind auch politisch.

Als Diplomat kommt man nicht umhin bei Staatsbesuchen Geschenke zu machen und zu erhalten. Ein Geschenk kann wohlwollend stimmen und Gesprächsthemen fernab des politischen Geschehens anregen. Man darf sich also vorstellen, dass die ehemaligen Bundespräsidenten Karl Carstens und Walter Scheel einige solcher Masken als Geschenk entgegennehmen konnten. Während Museen auf Authentizität in ihrer Sammlung wert legen, also Objekte mit Gebrauchsspuren und die damit einhergehende Aura, sind Staatsgeschenke häufig neugefertigt. Als Zeichen der Würdigung des Gastes.

Die seit drei Jahrzehnten aufbewahrten Staatsgeschenke befanden sich unsichtbar in der Dauerleihgabe der Bundesrepublik Deutschland, das Rautenstrauch-Joest-Museum hat die Sammlung nun öffentlich gemacht und in ihre Dauerausstellung integriert. „geschenkt! - die Gabe der Diplomatie“ offenbart dabei das Selbstbild des Schenkenden, aber auch dessen Wertschätzung des Empfängers. Besonders aufschlussreich sind dabei die vorbereitenden Korrespondenzen zu den ausgewählten Aufmerksamkeiten: „Präsident ist interessierter und erfahrener Süßwasserzierfischliebhaber, der hier in Kigali über umfangreiches Aquarium verfügt“, so eine Notiz über den ruandischen Präsidenten Juvénal Habyarimana. Wie auch in undiplomatischen Kreisen zählt bei der Auswahl des Präsents Individualität und damit ist eine ganze Behörde beschäftigt.

Zu den Aufgaben des Auswärtigen Amtes gehört neben der Interessenvertretung des Landes die Förderung des internationalen Austauschs, also auch die Pflege der auswärtigen Beziehungen – wie zuletzt besonders gelungen durch Heiko Maas’ Besuchs in Teheran.

Dazu soll zusätzlich zum durchdachten und personalisierten Geschenk auch die ausgewählte Garderobe besonderes Geschick veranschaulichen: Ob maßgeschneiderter Anzug oder traditionelles Gewand, die Farbgebung und Stoffe spielen in der Diplomatie eine entscheidende Rolle, denn auch in der Kunst und Praxis des Verhandelns zählt der erste Eindruck.

Kaum mehr Eindruck schinden konnte das Geschenk des nigrischen Präsidenten Seyni Kountché an Carstens: ein Kamel. Dieser lehnt es schließlich ab, das Tier mit nach Deutschland zu führen und spendet es einer sozialen Einrichtung. Eine ausgestellte Briefsammlung zeigt das große öffentliche Interesse, Nachfragen zum Wohlergehen des Tieres und ein Rezept für ein gefülltes Kamel.

Tiere zu verschenken ist in der Diplomatie nicht ungewöhnlich, so kann Carstens zum lebenden Kamel noch ein Löwenfell zu seiner Sammlung zählen. Liegen konkrete Anliegen – wie die Bitte um Entwicklungsgelder – vor, können Geschenke stereotypisch ausfallen und klischeebehaftete Bilder werden bedient: die Heimat wilder Tiere, rhythmischer Musik und leicht bekleidete Körper. Der Kubus, aus dem der Löwe stumm herausbrüllt, beschäftigt sich mit “Vorurteilen”, bei dem demonstriert wird, wie sich Europa gegenüber dem afrikanischen Kontinent als moralisch, technisch und kulturell überlegen erhebt. Projizierte Videoschnipsel und Zitate zeigen das Ausmaß des rassistischen Zeugnis, Äußerungen wie „Ich meine, ganz Afrika lebt aus unserer Tasche“ (Gloria von Thurn und Taxis), verachtende Plakatwerbung oder Staatsgeschenke seitens Deutschland in Form eines Fernsehers (die technische Überlegenheit).

Die mit einer großen, pinken Schleife versehenen Staatsgeschenke treten durch die Integration in einen Dialog mit den vorhandenen Kunstwerken – und ergänzen die Aufbewahrung eines kulturellen Erbes von Gesellschaften. Die Ausstellung offenbart jedoch auch die Absurdität einer dekadenten Form des Politikmachens.

„geschenkt! – die Gabe der Diplomatie“ | bis 22.9. | Rautenstrauch-Joest-Museum | 0221 22 13 13 01

Du Pham

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Konklave

Lesen Sie dazu auch:

Fragil gewebte Erinnerungen
„We are not carpets“ im RJM – Kunst 10/24

Das eigene Land
„Revisions“ im Rautenstrauch-Joest-Museum Köln – Kunst in NRW 03/24

Gestohlene, zerstörte Erinnerungen
„Artist Meets Archive“: Lebohang Kganye im RJM – kunst & gut 08/23

Die Sprache der Angst/Hoffnung
„Stimmen“ im RJM – Prolog 06/23

Die Utopie der Liebe
„Love? Eine Werkstatt“ im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kunstwandel 02/23

Tauziehen um Kunst aus Afrika
RJM präsentierte eine Diskussion mit Kunsthistorikerin Bénedicte Savoy – Kunst 05/21

Vier Geschichten und ein Geheimnis
Intensive Sicht auf kulturgeschichtliche Objekte im Rautenstrauch-Joest-Museum – kunst & gut 11/20

Die Kunst des Widerstands
„Baustelle“ im Rautenstrauch-Joest-Museum – Kunst 02/20

Geschichten fürs Nirvana
Indische Miniaturen im RJM – Kunst 10/19

Klima Mensch Umwelt
Folgen des Klimawandels im RJS – das Besondere 02/19

Leute machen Kleider
„Fast Fashion“ im RSJ: Studierende der ecosign präsentieren Projekte – Spezial 01/19

Wendemode
Die janusköpfige Textilbranche: „Fast Fashion" im Rautenstrauch-Joest-Museum – Spezial 10/18

Kunst.

Hier erscheint die Aufforderung!