Kinokalender
Mo Di Mi Do Fr Sa So
16 17 18 19 20 21 22
23 24 25 26 27 28 29

12.581 Beiträge zu
3.811 Filmen im Forum

„Köln stellt sich quer“-Demo in Köln-Deutz

Ihr könnt nach Hause gehn

06. Januar 2015

Anti-„Pegida“-Demo am 5. Januar

Gegen 19 Uhr war es so weit: Die verspätet vollzählige islamkritische „Kögida“, der Kölner Ableger der „Pegida“, wollte ihren „ersten Spaziergang“ vom Deutzer Bahnhof über den Rhein zum Dom durchführen. Doch schon für 17:30 Uhr hatten die von den Bündnissen „Köln stellt sich quer“, „Köln gegen rechts“ und „Kein Veedel für Rassismus“ entlang des Deutzer Streckenteils organisierten Gegendemonstrationen mit ihren von zig Unterstützern geteilten Aufrufen tausende Menschen versammeln können, welche die Kögida-Aktion vereiteln oder entwerten wollten. Die sonst hell erleuchteten Kölner Wahrzeichen Dom, Rathaus und Groß St. Martin wurden um 18:30 Uhr duster und ließen das Uferpanorama zur Silhouette werden – auch weitere Kirchen, Firmen und Privatpersonen beteiligten sich recht kurzfristig noch an der symbolischen Verdunkelung, die dem Domprobst Norbert Feldhoff böse E-Mails von Pegida-nahen Gläubigen einbrachte.


Belastungsprobe für die Haltestelle Deutzer Freiheit kurz vor Beginn

Die gesamte Mitte der Gesellschaft schien in allen Altersgruppen gut vertreten zu sein, und auch Immigranten nahmen teil. Die Atmosphäre war in dieser Mischung entschieden, aber friedlich, wenn die Polizei auch laut eigenen Angaben eine Gruppe von etwa 100 gewaltbereiten Personen in schwarzer Kleidung von Dummheiten abhalten musste. Die politischen Parteien waren fast alle zu erkennen, besonders mit Fahnen vertreten war wieder das linke Spektrum.


„Köln gegen rechts“- und „Kein Veedel für Rassismus“-Demonstranten sammeln sich um 17:30 Uhr an der Ecke Siegesstraße/Mindener Straße

Zur Zahl der Demonstranten gibt es nur Schätzungen: Während die Kölner „Bild“-Redaktion von 6.000 Gegendemonstranten und 800 Kögida-Anhängern spricht, beträgt das Verhältnis beim „Kölner Stadt-Anzeiger“ 5000 zu 500 und bei der „Deutschen Welle“ 20.000 zu 200. Die während der Demo verkündeten Zahlen aus Polizeiquellen betrugen 20.000 und „einige hundert“, die Polizei zählte allerdings dann doch „nur“ 7.500. Diese Zahl nannte Hajo Leib von „Köln stellt sich quer“ heute „irreführend“. Da sich die Gegendemonstranten über drei Sammelpunkte samt Zwischenstrecken verteilten und teilweise nicht mehr durchkamen, kann eigentlich nur mit Sicherheit festgestellt werden, dass es in Deutz sehr voll war. Gerechnet wurde mit deutlich weniger Teilnehmern, auch wenn die Veranstalter zuletzt über die sozialen Netzwerke eine Vorahnung vom Andrang bekamen. Am LVR-Turm etwas von der weiter unten stehenden Bühne mitzubekommen, war schon kurz nach Beginn völlig unmöglich. Die Forderung der Veranstalter und der Teilnehmer an die Polizei, die Barrikaden zur Straße zu öffnen, wurden nicht erfüllt, obwohl sich am Turm bald Menschen bis zur Hohenzollernbrücke stauten, die mehrheitlich überhaupt nicht einbezogen werden konnten. Ohne geöffnete Absperrungen war die in Richtung Kögida blickende Mini-Bühne mit ihrer schwachen Lautsprecheranlage einfach falsch ausgerichtet – sicher auch ein Versäumnis oder eine Fehlkalkulation der Organisatoren. Aber in jeder Ecke hielt man sich auf seine Art bei Laune.


Auch Oberbürgermeister Jürgen Roters hatte zum Protest aufgerufen

Es spielten Live-Bands, dazwischen wurden „Like a Rolling Stone“ („How does it feel / to be on your own?“), „Schrei nach Liebe“ und „Imagine“ aufgelegt. Von den anderen Demos wurde mitgeteilt, dass die Deutzer Brücke besetzt worden sei. Diese Blockade wurde jedoch von der Polizei wieder aufgelöst, so wie jeder andere Versuch, entgegen Gesetzen die freie Straße zu blockieren. Allerdings riet die Polizei der Kögida, zur eigenen Sicherheit von ihrem Marsch abzusehen. Die Kögida blieb noch etwa eine halbe Stunde auf dem Ottoplatz stehen, um nicht umsonst gekommen zu sein. Da Kleinlaster den Blick über den Auenweg versperrten, war die Kögida leider kaum zu erkennen. Über die Straße hinweg wurde vom Rand aus kräftig gesungen und skandiert: „Ihr könnt nach Hause gehn“ und „Nazis raus“.


„Wir stellen uns quer“-Demo – Blick zum abgesperrten Auenweg in Richtung „Kögida“

Gegen 19:45 Uhr traten die Kögida-Teilnehmer den Heimweg an. Das durfte als Erfolg gewertet werden. Die Gegen-Kundgebungen lösten sich ebenfalls langsam auf; ein guter Teil der Für-den-guten-Zweck-Frierenden verabschiedete sich über die Hohenzollernbrücke, bis vorgeschlagen wurde, geschlossen den Kögida-Weg über die Deutzer Brücke zu nehmen. Die Polizei war auf beiden Seiten des Rheins auf alles vorbereitet gewesen und ging in allem auf Nummer sicher. „Arsch huh“-Sprecher Hermann Rheindorf kritisierte dann auch zum Abschluss noch einmal, dass die Polizei den Raum nicht mehr geöffnet habe. Brigitta von Bülow von „Köln stellt sich quer“ fügte heute hinzu, dass viele Teilnehmer das Demontrationsrecht durch die Strategie der Polizei nicht hätten wahrnehmen können. Hans Schwanitz, der ansonsten recht zufriedene Vorsitzende der Kölner Grünen, erklärte in einer Pressemitteilung, man müsse darüber nun sprechen, damit es sich nicht wiederhole. Sicher muss man in Zukunft hinsichtlich der Teilnehmerzahlen zusammen mit der Polizei noch flexibler planen.

Text/Fotos: Jan Schliecker

Hat Ihnen dieser Beitrag gefallen? Als unabhängiges und kostenloses Medium sind wir auf die Unterstützung unserer Leserinnen und Leser angewiesen. Wenn Sie uns und unsere Arbeit finanziell mit einem freiwilligen Betrag unterstützen möchten, dann erfahren Sie über den nebenstehenden Button mehr.

Neue Kinofilme

Mufasa: Der König der Löwen

Lesen Sie dazu auch:

Für mehr Unabhängigkeit
Neues Selbstbestimmungsgesetz – Spezial 07/22

Solidarität mit der Ukraine
Friedensdemonstration gegen den russischen Überfall – Spezial 03/22

„Nicht nur zum Feiern zusammenstehen“
Stimmen von der Kölner Friedensdemo – Spezial 03/22

Laschets „Allmachtsfantasie“
Versammlungsgesetz-Vorhaben hat Folgen für den Straßenprotest – Spezial 02/21

Rechts stummschalten
Christian Fuchs diskutiert im NS-Dok über die Neue Rechte – Spezial 10/19

Demonstration „Ein Europa für Alle“
So 19.5. ab 11 Uhr

„Die Würde des Menschen ist unantastbar“
Amnesty International und Kölle Global streiten für Mensch und Umwelt

Sklaverei im 21. Jahrhundert
„A Woman Captured“ im Odeon – Foyer 10/18

Nüchterne Eier
Marie Rotkopf mit „Antiromantisches Manifest“ im King Georg – Literatur 03/18

Keinen Zweifel lassen
„Nicht mit uns“ – Muslimischer, multikultureller Friedensmarsch durch Köln – Spezial 06/17

„Ein Rechtsruck in der Gesellschaft“
Mirja Biel dramatisiert am Theater Bonn Yassin Musharbashs Roman „Radikal“ – Premiere 05/17

Freie Meinung oder Propaganda
Der umstrittene Kölner AfD-Parteitag am 22. April – Spezial 04/17

choices spezial.

HINWEIS